Macht uns der innere Schweinehund zum Umweltferkel?
„Dem ist die Umwelt wohl völlig egal!“, denken wir, wenn jemand zum dritten Mal im Jahr in den Urlaub fliegt. Dabei übersehen wir, dass es oft nicht an der guten Absicht mangelt, sondern daran, sie auch umzusetzen. Wie uns der „innere Schweinehund“ davon abhält, umweltfreundlich zu sein, erfahrt ihr hier.
Stell dir vor, du willst einen neuen Rucksack kaufen. Dir ist Umweltschutz wichtig – darum möchtest du einen wirklich umweltfreundlichen Rucksack aussuchen. Du informierst dich zu dem Thema und merkst, dass es viele Faktoren zu bedenken gibt: Es gibt verschiedene Label mit unterschiedlichen Standards, verschiedene Materialien, und auch der Transport muss berücksichtigt werden. Dir wird klar, dass es ziemlich aufwendig werden wird, herauszufinden, welcher Rucksack am umweltfreundlichsten ist. Du überlegst kurz, aber dann beschließt du, einfach irgendeinen Rucksack zu kaufen, der dir gefällt, und lieber entspannt ein gutes Buch zu lesen.
Das Beispiel zeigt ein typisches Problem beim Thema Mensch und Umwelt: Die meisten Menschen finden Umweltschutz wichtig, aber viele verhalten sich nicht dementsprechend. Was hilft dabei, umweltfreundliche Vorsätze in die Tat umzusetzen? Eine wichtige Rolle spielt die Selbstkontrolle.
Was ist Selbstkontrolle?
Selbstkontrolle ist die Fähigkeit, sich passend zu den eigenen langfristigen Zielen zu verhalten, auch wenn „Versuchungen“ auftreten, die es einem schwer machen. Dazu kann man verschiedene Strategien nutzen, z.B. mithilfe von Willenskraft Versuchungen komplett widerstehen, sich von Versuchungen ablenken oder vorbeugend dafür sorgen, dass Versuchungen gar nicht erst auftreten. Wie gut jemand darin ist, Selbstkontrolle auszuüben, messen Forschende meistens, indem sie Studienteilnehmende sich selbst einschätzen lassen. Wer Aussagen zustimmt wie „Manchmal kann ich mich selbst nicht daran hindern, etwas zu tun, obwohl ich weiß, dass es falsch ist“, hat beispielsweise eine schwächere Selbstkontrolle.
Warum braucht man Selbstkontrolle für umweltfreundliches Verhalten?
Auch bei umweltfreundlichem Verhalten kann man in „Versuchung“ geraten: Umweltschutz ist oft anstrengend und die Alternative einfacher, komfortabler oder attraktiver. Im Beispiel oben ist es z.B. einfacher, einen beliebigen Rucksack zu kaufen, als sich vorher ausführlich über die Umweltauswirkungen verschiedener Modelle zu informieren. Selbstkontrolle hilft dabei, in solchen Situationen an den eigenen Vorsätzen festzuhalten und sich z.B. doch zu informieren, obwohl es schwerfällt. Personen mit guter Selbstkontrolle verhalten sich daher generell umweltfreundlicher (Colombo et al., 2023). Sie sparen z.B. mehr Energie, recyclen mehr und kaufen weniger impulsiv ein.
Vor allem verhalten sich Menschen mit guter Selbstkontrolle mehr im Einklang mit ihren umweltfreundlichen Vorsätzen. In einer Studie bearbeiteten 1.536 Personen eine Entscheidungsaufgabe (Wyss et al., 2022). In 25 Runden wählten die Teilnehmenden jeweils zwischen zwei Optionen: einem kleinen Geldgewinn, der allerdings mit einem gewissen CO2-Ausstoß einherging, vs. dem Verzicht auf den Gewinn und damit auch auf den CO2-Ausstoß. Am Ende wurde eine der Runden zufällig ausgewählt und ausgeführt – das heißt, je nachdem, wie sie sich in dieser Runde entschieden hatten, bekamen die Teilnehmenden entweder den Gewinn oder mussten darauf verzichten. Teilnehmende mit guter Selbstkontrolle ließen sich bei ihren Entscheidungen mehr durch ihre Einstellung zur Umwelt leiten. Personen mit hoher Selbstkontrolle und positiver Umwelteinstellung verzichteten in 41% der Fälle auf den Geldgewinn. Personen mit schwacher Selbstkontrolle verzichteten trotz positiver Umwelteinstellung nur in 30% der Fälle.
Wie kann man Selbstkontrolle stärken?
Es gibt verschiedene Strategien, um die eigene Selbstkontrolle zu stärken. Beispielsweise kann man die eigene Umgebung so gestalten, dass man möglichst wenig in die Versuchung gerät, sich von seinem Ziel abbringen zu lassen. Man kann auch umweltfreundliches Verhalten gedanklich attraktiver machen – beispielweise kann man die Suche nach einem umweltfreundlichen Rucksack statt als „anstrengende, lästige Aufgabe“ auch als „Möglichkeit, etwas Neues zu lernen“ sehen. Welche Strategien in Bezug auf umweltfreundliches Verhalten besonders hilfreich sind, muss zukünftige Forschung allerdings noch testen (Nielsen, 2017).
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass umweltfreundliches Verhalten nicht nur davon abhängt, ob man Umweltschutz wichtig findet. Es kommt auch darauf an, umweltfreundliche Vorsätze umzusetzen, selbst wenn es schwerfällt oder Verzicht bedeutet. Die Forschung zeigt, dass Selbstkontrolle dabei hilft und Personen mit guter Selbstkontrolle ihre umweltfreundlichen Vorsätze besser einhalten. Als nächstes muss zukünftige Forschung untersuchen, welche konkreten Selbstkontroll-Strategien dabei besonders effektiv sind.
Literatur
Colombo, S. L., Chiarella, S. G., Lefrançois, C., Fradin, J., Simione, L., & Raffone, A. (2023). Probing pro-environmental behaviour: A systematic review on its relationship with executive functions and self-regulation processes. Journal of Environmental Psychology, 92, 102153. https://doi.org/10.1016/j.jenvp.2023.102153
Nielsen, K. S. (2017). From prediction to process: A self-regulation account of environmental behavior change. Journal of Environmental Psychology, 51, 189–198. https://doi.org/10.1016/j.jenvp.2017.04.002
Wyss, A. M., Knoch, D., & Berger, S. (2022). When and how pro-environmental attitudes turn into behavior: The role of costs, benefits, and self-control. Journal of Environmental Psychology, 79, 101748. https://doi.org/10.1016/j.jenvp.2021.101748
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