Ständig Ferien. Trotzdem krank!? Hilft Gymnasiallehrkräften weniger Arbeiten beim Umgang mit Arbeitsstress?

Ständig Ferien. Lehrkräfte können gar nicht gestresst sein! Hohe Frühberentungszahlen und Burnoutfälle zeigen eine andere Realität. Immer mehr Lehrkräfte reduzieren ihre Stunden, um mit dem Schulalltag umzugehen. Aber hilft das wirklich?

„Was, schon wieder Schulferien? Diese Lehrer haben auch immer frei.“ Kennen Sie diese Aussagen? Haben Sie diese evtl. auch schon gedacht? Dass Lehrkräfte ihre Ferien ausgleichen und daher laut Vertrag mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten müssen, wissen die wenigsten. Im Durchschnitt arbeitet eine Lehrkraft in Vollzeit etwas mehr als 46 Stunden pro Woche (Mußmann, Hardwig & Haunschild, 2019). Viele sogar mehr, beispielsweise in Klausurzeiten. Sie arbeiten so lange, wie sie zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung eben brauchen - ohne Zeiterfassung, in der Schule, Zuhause, am Abend und am Wochenende. Das diese Arbeitslast auf Dauer - trotz Ferien - anstrengend und belastend ist, kann man sich gut vorstellen. 

In Befragungen berichten Lehrkräfte häufig von einem Gefühl der Erschöpfung und fehlender Freude am Unterrichten (z. B. Hansen, Klussmann & Hanewinkel, 2022; Robert Bosch Stiftung, 2022). Viele fühlen sich gestresst und bedauern, dass sie ihren eigenen Standards nicht gerecht werden. Gerade ältere Personen fragen sich, ob sie den Leistungsdruck noch bis zur Rente aushalten. Leider schaffen dies viele nicht. Da die Politik aufgrund des Lehrkräftemangels eher die Erhöhung der Unterrichtsstunden pro Woche vorsieht, wählen viele erschöpfte Lehrkräfte den Weg der Reduzierung der Arbeitszeit – sie arbeiten in Teilzeit.

Lehrkräfte nehmen bewusst eine Gehalts- und Pensionskürzung in Kauf um gesund zu bleiben oder werden und eventuell länger arbeiten zu können. Aber bringt dies wirklich etwas? In einer gerade veröffentlichten Studie erfassten fast 6000 Gymnasiallehrkräfte über einen Zeitraum von vier Wochen täglich ihre Arbeitszeit (Seibt & Kreuzfeld, 2023). Außerdem beantworteten sie Fragen zur physische Gesundheit, der eigenen Erholungsfähigkeit und gaben an wann sie in Rente gehen wollen. Die Antworten der Lehrkräfte ergeben zwei Dinge: Erstens berichteten Lehrkräfte, dass sie umso mehr Überstunden machten, je weniger Stunden sie laut Vertrag arbeiten musste. Dies bedeutet, dass die gewünschte Erholung oder Zeitersparnis durch die Stundenreduzierung nur bedingt eintritt. Zweitens zeigen Lehrkräfte, die weniger arbeiten keinen besseren Gesundheitszustand als Vollzeitkräfte. Sie geben auch nicht an, dass sie länger im Beruf bleiben wollen. 

Interessant wird es bei der Interpretation dieser Ergebnisse. Zunächst müsste man annehmen, dass weniger Arbeitszeit keine Entlastung bringt, da die Lehrkräfte in Teilzeit genauso erschöpft waren, wie Personen, die 100% arbeiteten. Bedeutet dies nun, dass erschöpfte Lehrkräfte einfach weiter Vollzeit arbeiten sollen, bis sie gar nicht mehr arbeiten können? Nein. Reduzierte Arbeitszeit kann zu einer Erholung von Erschöpfung beitragen. Dazu muss es aber „freie“ Zeit ohne Überstunden geben, in der eine Erholung stattfinden kann. Leider berichten ein Drittel der Lehrkräfte auch, dass sie sich gar nicht mehr von ihrer Erschöpfung erholen. Eventuell sind das genau die Personen, die bereits ihre Arbeitszeit reduziert haben, um gesund zu werden. 

Um den Belastungen entgegenzuwirken, fordern viele Bildungsexperten und Gewerkschaften für Lehrkräfte eine Reduzierung der Unterrichtsstunden pro Woche. Lehrkräfte wünschen sich laut einer repräsentative forsa-Befragung zur aktuellen Situation der Schulen in Deutschland - dem deutschen Schulbarometer - eher eine Reduzierung der zusätzlichen administrativen Aufgaben (Robert Bosch Stiftung, 2023). Die Politik schlägt allerdings aufgrund des Lehrkräftemangels in vielen Bundesländern einen anderen Weg ein: eine Erhöhung der Unterrichtsstunden pro Woche sowie eine strengere Vorgabe für die Reduzierung der Arbeitszeit. Fraglich ist, ob diese Richtung langfristig zu eher mehr (gesunden) Lehrkräften oder eher weniger arbeitenden Lehrkräften führt. Das wird sich leider erst in Zukunft zeigen. Wichtig ist in jedem Fall, den im Moment erschöpften Lehrkräften die richtige psychologische Hilfe zur Verfügung zu stellen, - damit die reduzierte Arbeitszeit auch zu einer Erholung führen kann.

Literaturverzeichnis

Hansen, J., Klusmann, U. & Hanewinkel, R. (2022). Emotionale Erschöpfung und Berufszufriedenheit von Lehrpersonal während der COVID-19- Pandemie. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz, 65(7–8), 776–783. https://doi.org/10.1007/s00103-022-03554-7

Mußmann, F., Hardwig, T. & Haunschild, A. (2019). Berechnung und Gestaltung der Arbeitszeit von Lehrkräften – Entwicklung arbeitszeitrechtlicher Normen für Lehrerinnen und Lehrer sowie Schulleitungen. Recht der Jugend und Des Bildungswesens, 67(3), 298–311. https://doi.org/10.5771/0034-1312-2019-3-298

Robert Bosch Stiftung (2022,2023). Das Deutsche Schulbarometer: Aktuelle Herausforderungen aus Sicht der Lehrkräfte. Ergebnisse einer Befragung von Lehrkräften allgemein- und berufsbildender Schulen. Stuttgart: Robert Bosch Stiftung.

Seibt, R. & Kreuzfeld, S. (2023). Working time reduction, mental health, and early retirement among part-time teachers at German upper secondary schools - a cross-sectional study. Frontiers in Public Health, 11. https://doi.org/10.3389/fpubh.2023.1293239

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