Vertraut die Welt noch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern?

“Oh we’ve had enough of experts.” - spätestens seit Michael Gove, Politiker der Konservativen Partei Großbritanniens, sich im Vorfeld des Brexit-Referendums abwertend über Expert:innen äußerte, scheint die offene Ablehnung gegenüber Wissenschaftler:innen weltweit zuzunehmen. Auch Äußerungen und Verhalten mancher Menschen nach dem Ausbruch der Covid-19- Pandemie oder aktuelle Wahlergebnisse lassen befürchten, dass der Stellenwert der Wissenschaft und wissenschaftlicher Erkenntnisse weltweit abnimmt. Ist das wirklich so? Eine groß angelegte Studie in 68 Ländern hat diese Frage nun untersucht.

Wie steht es um das Vertrauen in Wissenschaftler:innen? Um diese Frage zu beantworten, schlossen sich Wissenschaftler:innen auf der ganzen Welt zusammen. Sie fragten fast 72000 Menschen in 68 Ländern, wie sehr sie Wissenschaftler:innen vertrauen (Cologna et al., 2024). Insgesamt war das Vertrauen in Wissenschaftler:innen weltweit moderat bis eher hoch. Es gab allerdings deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern. In Ägypten und Indien war das Vertrauen am höchsten: Im Durchschnitt gaben die Teilnehmenden dort einen Wert von 4,3 auf einer Skala von 1 (sehr niedrig) bis 5 (sehr hoch) an. In Albanien und Kasachstan war das Vertrauen am niedrigsten. Die Durchschnittswerte lagen dort bei 3,1. Deutschland lag in der Befragung mit einem Wert von 3,5 leicht unter dem globalen Durchschnitt. Das bedeutet also: nirgendwo war das Vertrauen niedrig. Übermäßig hoch war es aber oft auch nicht.

Was bedeutet “Vertrauen in Wissenschaftler:innen” genau?

Vertrauen im Kontext von Wissenschaft bedeutet, Forschende als verlässliche Lieferant:innen von wissenschaftlichen Informationen zu sehen und ihr Wissen anzunehmen, ohne es im Detail selbst überprüfen zu können. Dafür braucht es die Überzeugung, dass Wissenschaftler:innen ihre Erkenntnisse mit bestem Wissen und Gewissen mit der Bevölkerung teilen. Genauer setzt sich Vertrauen aus vier Komponenten zusammen: Kompetenz, Benevolenz, Integrität und Offenheit.

Erstens braucht Vertrauen den Glauben an die Kompetenz von Forschenden in ihrem Fachgebiet. Dann braucht es die Überzeugung, dass Wissenschaftler:innen zum Wohle der Bevölkerung arbeiten (Benevolenz) und sich dabei ehrlich an die Regeln und Standards guter Wissenschaft halten (Integrität). Manchmal wird auch die Offenheit von Forschenden für Feedback von Außen als Voraussetzung für Vertrauenswürdigkeit gesehen. 

In der vorliegenden Studie wurden Wissenschaftler:innen zwar als sehr kompetent wahrgenommen, aber weniger als wohlwollend und ehrlich. Insbesondere wurden sie als nicht unbedingt offen für andere Ansichten angesehen. Wie schon frühere Forschung zeigt die vorliegende Studie also, dass Vertrauen in Wissenschaft nicht nur hohe Expertise braucht. Für hohes und stabiles Vertrauen mangelt es noch daran, dass zumindest manche Menschen nicht überzeugt sind, dass Wissenschafler:innen offen und ehrlich im Interesse der Gesellschaft handeln.

Wer vertraut Wissenschaftler:innen - und wer nicht?

Vertrauen in Wissenschaftler:innen hängt, neben dem Land, auch von einer Reihe weiterer demografischer Eigenschaften ab. Frauen, ältere Menschen sowie Menschen mit höherem Einkommen und höherem Bildungsniveau gaben tendenziell an, Wissenschaftler:innen mehr zu vertrauen als Männer, jüngere Menschen und Menschen mit niedrigerem Einkommen und Bildungsniveau. Die Unterschiede zwischen den demografischen Gruppen waren insgesamt aber sehr gering.

Auch die politische Einstellung hing mit dem Vertrauen zusammen: Teilnehmende, die sich politisch eher links einordnen, berichteten ebenfalls mehr Vertrauen als politisch eher konservativ eingestellte Teilnehmende. Die Zusammenhänge zwischen politischen Einstellungen und Vertrauen in Wissenschaftler:innen zeigten sich aber vor allem in den USA und in Europa. In Südostasien zeigten sich umgekehrte Zusammenhänge: Dort berichteten konservativ eingestellte Personen ein höheres Vertrauen. Ähnlich verhielt es sich auch mit dem Zusammenhang mit Religiosität: Während in christlich-geprägten Ländern religiösere Menschen weniger in Wissenschaftler:innen vertrauten, drehte sich dieser Zusammenhang in muslimischen Ländern um: Hier ging Religiosität mit mehr Vertrauen einher.

Diese Ergebnisse unterstreichen, dass viele Zusammenhänge mit Vertrauen in Wissenschaft komplexer sind als sie auf den ersten Blick scheinen. Es ist also wichtig, Studien nicht nur im globalen Norden durchzuführen. Auch sollte von Daten aus westlichen Industrienationen nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass die Ergebnisse global gültig sind.

Wie können wir das Vertrauen in Wissenschaftler:innen stärken?

Allgemeingültige Empfehlungen lassen sich nur schwer formulieren, da sich Einstellungen gegenüber der Wissenschaft und damit eben auch Vertrauen in Wissenschaftler:innen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen sowohl lokal als auch global unterscheiden.

Trotzdem ist ein offener Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft wichtig, um das Vertrauen in Wissenschaftler:innen zu stärken. Wissenschaftler:innen sollten dabei beispielsweise offen für Rückmeldungen zu ihrer Arbeit sein und die Finanzierung und Datenquellen ihrer Studien transparent darstellen, um Offenheit und Wohlwollen zu demonstrieren und den Nutzen ihrer Arbeit für die Gesellschaft zu maximieren.

Literaturverzeichnis

Cologna, V., Mede, N.G., Berger, S. et al. Trust in scientists and their role in society across 68 countries. Nat Hum Behav (2025). https://doi.org/10.1038/s41562-024-02090-5 

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BulentYILDIZ via pixabay