Was tun wir, wenn wir multitasken?
Jeden Tag „multitasken“ wir, aber sind wir überhaupt gut darin? Warum das wahrscheinlich nicht so ist, wieso wir es trotzdem tun und was uns dabei helfen könnte - das erfahrt Ihr in diesem Beitrag.
Gerade während der Corona- Pandemie mussten wir viele Dinge gleichzeitig von zuhause aus tun, wie zum Beispiel während des Kochens ein Telefonat mit KollegInnen führen. Das verlangt kognitiv sehr viel ab, da man ständig von der einen Aufgabe zur anderen wechseln und dabei entsprechende Abläufe im Hinterkopf aufrechterhalten oder neu „rekonfigurieren“ muss. Wenn wir nach dem Wasseraufsetzen schnell auf einen Kommentar eingehen, müssen wir uns erst kurz neu sortieren, bevor wir den nächsten Schritt ausführen können und Salz hinzugeben.
In der Tat ist unser Gehirn eigentlich nicht darauf ausgelegt, Aufgaben im wahrsten Sinne des Wortes gleichzeitig zu tun („Multitasking“) und man spricht stattdessen häufig vom „Task Switching“, dem schnellen Wechseln zwischen Aufgaben. Dieses schnelle Wechseln ist nicht nur anstrengend, sondern verleitet auch zu Fehlern, da verschiedene Handlungsabläufe miteinander interferieren können, auch als „Switch Cost“ (Kosten des Wechselns) bezeichnet. Tatsächlich zehren das Fokussieren auf eine einzelne Aufgabe sowie der Prozess, zu „switchen“, an denselben kognitiven Ressourcen. Das bedeutet, dass Task Switching an sich ermüdend wirken kann und für die Aufgaben, zwischen denen man wechselt, eventuell weniger Ressourcen übrig lässt. Hinzu kommt, dass wir, je mehr wir switchen, auch anfälliger für Ablenkungen sind (Dreisbach & Wenke, 2011) und uns weniger an die einzelnen Inhalte erinnern können (Muhmenthaler & Meier, 2021).
Auch auf der subjektiven Ebene haben Studien gezeigt, dass wir Task Switching - obwohl wir dies ständig tun - eigentlich gar nicht gerne tun. Wenn man Studienteilnehmende visuelle Reize, die zuvor mit Task Switching verknüpft wurden, bewerten lässt, zeigt sich, dass sie diese als weniger positiv empfinden (Vermeylen, Braem & Notebaert, 2019). Wenn man Teilnehmende zudem vor die Wahl stellt, simple Computeraufgaben zu wiederholen oder zwischen ihnen hin- und herzuwechseln, zeigt sich eine klare Tendenz der Wiederholung (z.B. Mittelstädt et al., 2018), selbst dann, wenn die Teilnehmenden dazu beauftragt wurden, in etwa 50 % der Fälle zu wechseln.
Warum switchen wir dennoch die ganze Zeit? Ein großer Teilaspekt ist sicherlich unser Zeitalter, in dem ständig neue Apps entwickelt werden, die darauf ausgelegt sind, unsere Aufmerksamkeit zu beanspruchen. Diese Apps nutzen auch gerne unser Bedürfnis aus, " Opportunitätskosten" zu vermeiden, die entstehen, wenn wir all unsere Ressourcen in eine einzelne Aufgabe investieren und uns dadurch den Wechsel zu Alternativen erschweren. Push-Benachrichtigungen und schnelle Ladezeiten erleichtern uns dabei das Switchen, indem sie unsere Aufmerksamkeit gezielt auf die alternative App lenken (ähnlich wie in Mittelstädt, Miller, & Kiesel, 2018).
Können wir denn besser switchen? Tatsächlich scheint es, dass regelmäßiges Medien-Multitasking unsere Switch-Leistung in anderen Bereichen nicht verbessert (Schneider & Chun, 2021). Auch häufiges Task Switching zwischen denselben Aufgaben kann die damit verbunden Kosten zwar reduzieren, aber nie ganz aufheben (Stoet & Snyder, 2007). Eine neue Perspektive besagt allerdings, dass es möglich sein könnte, Multitasking mit Hilfe von Belohnungen oder Kontext besser zu regulieren (z.B. Braem & Egner, 2018). Bezüglich des Kontexts ist bereits bekannt, dass bestimmte Handlungen häufig durch unsere Umgebung ausgelöst werden (z. B. Schokolade-Essen auf dem Sofa). In ähnlicher Weise könnten uns Kontextänderungen auch allgemeiner dabei helfen, zu entscheiden, wann wir „multitasken” oder uns stattdessen auf eine Aufgabe konzentrieren. Im Fall des Home-Office könnte es zum Beispiel helfen, Ablenkungen am Schreibtisch fernzuhalten, während wir es uns im Wohnzimmer erlauben, auch mal das Smartphone zu checken oder eine Parallelunterhaltung zu führen (aus dem Podcast „Warum wir nicht multitasken können" mit Pieter Roelfsema, Kobe Desender und Senne Braem, übersetzt).
Quellen:
Braem, S., & Egner, T. (2018). Getting a grip on cognitive flexibility. Current Directions in Psychological Science, 27(6), 470-476.
Dreisbach, G., & Wenke, D. (2011). The shielding function of task sets and its relaxation during task switching. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 37(6), 1540–1546. https://doi.org/10.1037/a0024077
Mittelstädt, V., Dignath, D., Schmidt-Ott, M., & Kiesel, A. (2018). Exploring the repetition bias in voluntary task switching. Psychological Research, 82(1), 78-91.
Mittelstädt, V., Miller, J., & Kiesel, A. (2018). Trading off switch costs and stimulus availability benefits: An investigation of voluntary task-switching behavior in a predictable dynamic multitasking environment. Memory & Cognition, 46(5), 699-715.
Muhmenthaler, M. C., & Meier, B. (2021). Different impact of task switching and response-category conflict on subsequent memory. Psychological Research, 85(2), 679-696.
Schneider, D. W., & Chun, H. (2021). Partitioning switch costs when investigating task switching in relation to media multitasking. Psychonomic Bulletin & Review, 28(3), 910-917.
Stoet, G., & Snyder, L. H. (2007). Extensive practice does not eliminate human switch costs. Cognitive, Affective, & Behavioral Neuroscience, 7(3), 192-197.
Vermeylen, L., Braem, S., & Notebaert, W. (2019). The affective twitches of task switches: Task switch cues are evaluated as negative. Cognition, 183, 124-130.
Waarom we niet kunnen multitasken | EOS Wetenschap
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