Wenn Beweise nicht kugelfest sind
Über ein Jahrzehnt lang wurde in Deutschland nach dem „Phantom von Heilbronn“ gesucht. Bis sich herausstellte, dass die Ermittler*innen wegen falscher DNS-Beweise auf der falschen Spur waren. Wie zuverlässig sind forensische Beweise eigentlich?
Sie wurde zu einer der meist gesuchten Serientäterinnen, die unbekannte Frau, deren DNS-Spuren an verschiedenen Tatorten quer durch Deutschland und Österreich gefunden wurden. Ernüchternd war es dann, als die Spuren zur Mitarbeiterin einer bayerischen Firma führten, die Wattestäbchen produzierte. Im Verpackungsprozess gelangte ihre DNS auf die Wattestäbchen, welche die Polizei später bei der Spurenuntersuchung verwendete. Dieser Fall zeigt, dass forensische Beweise fehlerhaft sein und die Ermittlungen in die falsche Richtung führen können.
In bekannten Krimiserien werden forensische Beweismittel oft als objektiv und absolut zuverlässig dargestellt. Dies ist ein Trugschluss, wie dieser Fall zeigt. Die korrekte Interpretation forensischer Beweise ist nämlich abhängig von den Analysemethoden – die im vorliegenden Fall durch kontaminierte Wattestäbchen beeinflusst wurde. Auch bei vollständig korrekten Analysen kann es zu Fehlern kommen: durch menschliche Irrtümer. Durch zuvor gefasste Meinungen und Erwartungen kann es passieren, dass wir uns vor allem auf Informationen beziehen, die diese bestätigen, andere, widersprechende Information jedoch außer Acht lassen. Dieser sogenannte confirmation bias ( Bestätigungsfehler) kann schwerwiegende Konsequenzen mit sich bringen. Dies zeigt ein Experiment, bei dem fünf Fingerabdruck-Expert*innen gebeten wurden, Fingerabdrücke zu untersuchen. Was sie nicht wussten, war, dass sie diese zuvor bereits einmal analysiert hatten. Das Ergebnis war verblüffend: Vier von den fünf Expert*innen kamen nun zu einer anderen Schlussfolgerung als zuvor. Sie hatten nämlich falsche Hintergrundinformationen bekommen. Diese Untersuchung zeigt eindrucksvoll, dass es auch bei forensischen Beweisen Interpretationsspielraum gibt. Forensische Beweise, wie DNS-Spuren und Fingerabdrücke, können nur dann objektiv interpretiert werden, wenn unser Urteilsvermögen nicht durch zusätzliche Information beeinflusst wird. Daher plädieren Psycholog*innen für eine „blinde“ Analyse von jeglichem Beweismaterial, das heißt, ohne die beeinflussende Wirkung von Hintergrundinformationen.
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