Fußballmythos: Sollte der Gefoulte den Elfmeter nicht schießen?

Der Gefoulte sollte den Elfmeter nicht schießen. Was ist dran an diesem weiterverbreiteten Mythos? Statistische Auswertungen von 44 Bundesligasaisons geben Aufschluss.

Mythen im Fußball halten sich hartnäckig. Die wohl am weitesten verbreitete Fußballphrase bezieht sich dabei darauf, dass der Gefoulte nicht selber schießen sollte. Auch wenn die Phrase noch so abgedroschen klingen mag, kennt trotzdem jeder zig Beispiele die den Mythos bestätigen. So hat Arjen Robben vom FC Bayern München im Frühjahr 2012 den wichtigen Özil penalty-2 von Ronnie Macdonald via Flickr (https://www.flickr.com/photos/7332125@N04/11083287834), cc (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)Elfmeter gegen Borussia Dortmund verschossen nachdem er gefoult wurde. Gleiches gilt für Mesut Özil. Er vergibt den wichtigen Elfmeter im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen den FC Bayern München nachdem er gefoult wurde. Könnte am Mythos also tatsächlich etwas dran sein? Selbst erfahrene Spieler scheinen nämlich daran zu glauben, dass der gefoulte Spieler nicht schießen sollte. So überließ Dortmunds etatmäßiger Elfmeterschütze Jakub Błaszczykowski in der Saison 2012/2013 im Spiel gegen Greuther Fürth seinem Mitspieler Robert Lewandowski den Elfmeter. Nach dem Spiel meinte Błaszczykowski: “Ich bin selbst gefoult worden. Dann ist es immer besser, wenn man nicht selbst antritt."

Bei all diesen Beispielen muss am Mythos doch einfach etwas dran sein! Oder etwa doch nicht? Um den Mythos statistisch zu testen haben Oliver Kuss und sein Team (2007) von der Universität Halle-Wittenberg 3768 Elfmeter, die zwischen 1963 und 2007 in der Bundesliga geschossen wurden, untersucht. Die Wissenschaftler haben sich dann angeschaut wie viele Elfmeter zuvor gefoulte Schützen und zuvor nicht gefoulte Schützen verwandelten. Die Trefferquote von nicht gefoulten Schützen liegt bei 74 Prozent. Jene von gefoulten Schützen bei 72 Prozent. Diese Differenz ist allerdings statistisch zu vernachlässigen, da sie sich im Bereich der zufälligen Abweichung befindet.

Ein gefoulter Spieler darf also durchaus den Elfmeter treten. Der Mythos ist somit widerlegt. Aber gibt es andere Indikatoren, die den Erfolg des Elfmeterschützen vorhersagen können? In zusätzlichen Analysen haben Kuss und Kollegen (2007) weitere Faktoren untersucht. Interessanterweise konnte kein Zusammenhang mit Alter, Erfahrung oder individueller Trefferquote früherer Elfmeter festgestellt werden. Allerdings neigen jüngere Spieler und erfolgreiche Schützen eher dazu nach einem Foul den Elfmeter selber zu schießen. Dies hat aber keine Auswirkung auf den Erfolg. Einziger möglicher Prädiktor für den Erfolg beim Elfmeterschießen könnte in der Persönlichkeit der Spieler liegen. So scheint es zu sein, dass Spieler bessere Elfmeterleistungen erbringen wenn die Anforderungen der Situation oder die Motivation des Trainers auf die Persönlichkeit des Spielers zugeschnitten sind (vgl. Blogbeitrag von Tobias Vogel).

 

Kuss, O., Kluttig, A., & Stoll, O. (2007). “The fouled player should not take the penalty himself”: An empirical investigation of an old German football myth. Journal of Sports Sciences, 25, 963-967.

Memmert, D., Strauss,  B., & Theweleit, D. (2013). Der Fußball. Die Wahrheit. München: Süddeutsche Zeitung GmbH.