Sind wir ohne Google zu dumm zum Wählen? – „Offloading“ als Chance und Gefahr für Demokratie

Fakten einfach wiederholt zu googeln statt sie sich einzuprägen gehört ebenso zum modernen Internetzeitalter wie tanzende Katzen im Smoking. Für amerikanische Forscher stellte sich nun aber die Frage: Wird unser Wahlverhalten durch das „Abschieben“ von Wissen beeinflusst und was heißt das für unsere Demokratie?


LaptopWer war der dritte Bundeskanzler Deutschlands? Wer ist Chef des Bundeskanzleramtes? Und wie sieht das Parteiprogramm der FDP aus? Wenn es um politisches Wissen geht, verlassen wir uns oft und gerne auf die Hilfe von Google und Co. – ein Phänomen, das in der Psychologie als „Offloading“ bekannt ist. Hierbei prägen wir uns statt der Inhalte selbst lieber den Ort ein, wo sie zu finden sind. Studien zeigen: Informationen, die nur einen Handgriff entfernt sind, werden weniger intensiv verarbeitet und weniger wahrscheinlich gespeichert (Wegner & Ward, 2013).

Unklar ist bisher jedoch, wie sich Offloading auf unsere Kompetenz als Wähler auswirkt. Kleinberg und Lau (2020) führten hierzu mit 686 US-AmerikanerInnen eine Online-Studie durch. Über mehrere Monate erhielten die ProbandInnen Informationen zu Politikern. Die Hälfte der Studienteilnehmer durfte diese Informationen zu einem späteren Zeitpunkt im experimenteigenen Internet abrufen, die andere nicht. Nach den Wahlen wurden alle ProbandInnen gebeten, möglichst viele Fakten über die KandidatInnen aufzuzählen. Das Ergebnis: Mit der Offloading-Option lernten die StudienteilnehmerInnen etwa 20% mehr. Und nicht nur das: Sie wählten auch um 8% wahrscheinlicher den Kandidaten, der am ehesten zu ihren politischen Einstellungen passte.

Die Autoren wurden also Zeuge folgenden Paradoxons: Obwohl politische Fakten ungenauer gelesen wurden und lieber in der Schublade des Internets verschwanden, trafen StudienteilnehmerInnen die bessere Wahlentscheidung. Die Erklärung? Durch Offloading machen wir in unserem Arbeitsspeicher Platz und schaffen somit bessere Lernbedingungen. Wir können also einmal durchatmen – wir sind schließlich ganz und gar nicht dumm, uns des Offloadings zu bedienen!

Hurra, unsere Demokratie ist dank Internet gerettet? Laut Kleinberg und Lau ist es nicht ausschlaggebend, wie gebildet eine Person nunmehr ist, sondern wie gut sie valide Informationen aus dem Internet zieht. Allerdings sind qualitativ hochwertige Informationen oftmals zahlungspflichtig und Fake News dagegen allgemein zugänglich. Hieraus ergeben sich neue Gefahren durch Ungleichheit, die unsere internetbasierte Gesellschaft vor Herausforderungen stellen.

Ach, falls Sie sich noch fragen, wer denn nun die dritte Kanzlerkandidatur innehatte – es war Kiesinger (falls Sie es nicht schon gegoogelt haben).

 

Quellen:

Kleinberg, M. S., & Lau, R. R. (2021). Googling politics: How offloading affects voting and political knowledge. Political Psychology, 42, 93–110. https://doi.org/10.1111/pops.12689

Wegner, D. M., & Ward, A. F. (2013). How Google is changing your brain. Scientific American, 309, 58–61. 10.1038/scientificamerican1213-58

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