Sehnsucht nach Enkelkindern – auf manche Lebensereignisse kann man nur hoffen

Oma oder Opa zu werden ist häufig ein bedeutsames Lebensereignis. Jedoch fehlt die Kontrolle darüber, ob und wann die erwachsenen Kinder eine eigene Familie gründen. Weil hier empfundene Bedeutsamkeit auf mangelnde Kontrolle trifft, kann man den Enkelkinder-Wunsch als Sehnsucht bezeichnen. Was hat es mit dieser Sehnsucht auf sich? 

„Das würde ich so gerne mit meinen Enkelkindern machen. Aber leider kann sich meine Tochter einfach noch nicht dazu entschließen, Kinder zu bekommen.“ Diesen oder ähnliche Sätze hört man häufiger von Eltern, deren erwachsene Kinder (noch) keinen Nachwuchs bekommen haben. In diesen Aussagen kommt etwas zum Ausdruck, das man „Sehnsucht nach Enkelkindern“ nennen kann. 

Sehnsüchte kreisen häufig um Themen, welche für die eigene Altersgruppe relevant sind, wie beispielsweise Partnerschaft, Familie und Beruf (Kotter-Grühn et al., 2019). Sie bestehen aus sechs Merkmalen (Baltes, 2008):

  • Erstens beinhalten sie eine Utopie des eigenen Lebens. Das bedeutet, dass die Vorstellung eines zukünftigen Lebens mit Enkelkindern ein wünschenswertes, aber gleichzeitig nie vollständig erreichbares (d.h., utopisches) Leben beschreiben könnte. 
  • Zweitens beziehen sich Sehnsüchte auf Dinge, von denen man denkt, dass sie das eigene Leben vollständig und sinnhaft machen könnten, wie beispielsweise Enkelkinder. 
  • Drittens gehen sie mit gemischten Gefühlen einher: Die angenehme Vorstellung des Wunschszenarios „Enkelkinder haben“ ist begleitet von dem schmerzhaften Wissen darüber, dass man dieses (noch) nicht erleben kann. 
  • Viertens verknüpfen Sehnsuchtsthemen die eigene Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander. So kann es beispielsweise sein, dass sich in der Sehnsucht nach Enkelkindern die Erinnerung an die eigenen Kinder als Kleinkinder verknüpft mit der Zukunftsvorstellung, dass diese selbst bald Kinder haben könnten.
  • Fünftens haben Sehnsüchte einen symbolischen Wert. Beispielsweise stehen Enkelkinder symbolisch für die Gelegenheit, sich um zukünftige Generationen zu kümmern und den persönlichen Erfahrungsschatz weiter zu geben (d.h. für Generativität).  
  • Sechstens folgen sie häufig auf eine Reflexion über das eigene Leben. So könnte man bevor man Enkelkinder-Sehnsuchtsgedanken empfindet darüber nachdenken, was in der eigenen Familie bisher passiert ist und was (idealerweise) folgen könnte. 

Man sieht: Die sechs Sehnsuchtsmerkmale lassen sich passend auf den Wunsch nach Enkelkindern anwenden. Deshalb ist dieser Wunsch ein Paradebeispiel für ein Sehnsuchtsthema. 

Sehnsüchte können unser Wohlbefinden beeinträchtigen. Das liegt daran, dass sie sich auf Lebensbereiche fokussieren, die als unvollständig wahrgenommen werden. Sie können mit der Erkenntnis einhergehen, dass „das perfekte Leben“ nicht Realität werden kann. Auch eine starke Sehnsucht nach Enkelkindern geht mit einer niedrigeren Lebenszufriedenheit einher. Das bestätigte eine Befragung von 477 Eltern erwachsener Kinder, die (noch) keine Enkelkinder hatten (Dorry et al., 2023).

Zum Glück ist man diesen potentiellen Beeinträchtigungen des Wohlbefindens durch die Sehnsucht nach Großelternschaft nicht ausgeliefert. Es gibt zwei mögliche Wege, um die negativen Gefühle und Gedanken, die mit der Sehnsucht nach Enkelkindern einhergehen können, abzumildern. Zum einen ist es in diesem Zusammenhang hilfreich, wenn man das Gefühl hat, dass der Partner oder die Partnerin die eigene Sehnsucht nach Enkelkindern akzeptiert und versteht. Zum anderen ist es hilfreich, wenn man optimistisch in die Zukunft sieht und davon ausgeht, dass im Leben alles gut gehen wird (Dorry et al., 2023). 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Familie eine Quelle für die Sehnsucht nach Enkelkindern sein kann. Gleichzeitig ist die Familie – genauer der verständnisvolle Partner oder die verständnisvolle Partnerin – eine Ressource, die dabei helfen kann, diese negativen Gefühle zu abzumildern. Bis die eigenen Kinder sich dazu entscheiden selbst Nachwuchs zu bekommen, bleibt nichts anderes übrig als hoffnungsvoll in eine mögliche Zukunft mit Enkelkindern zu blicken. 

Literaturverzeichnis

Baltes, P. B. (2008). Entwurf einer Lebensspannen-Psychologie der Sehnsucht: Utopie eines vollkommenen und perfekten Lebens. Psychologische Rundschau, 59(2), 77 – 86. https://doi.org/10.1026/0012-1924.59.2.77

Dorry, J., Burk, C. L., Stertz, A. M., & Wiese, B. S. (2023). Longing for grandparenthood: Its association with life satisfaction in late middle adulthood. Psychology and Aging, 38(4), 333-344. https://doi.org/10.1037/pag0000723

Kotter-Grühn, D., Wiest, M., Zurek, P. P., & Scheibe, S. (2009). What is it we are longing for? Psychological and demographic factors influencing the contents of Sehnsucht (life longings). Journal of Research in Personality, 43(3), 428 – 437. https://doi.org/10.1016/j.jrp.2009.01.012

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