Freiwillige falsche Geständnisse: Wer macht denn so was?
Befragungen zeigen, dass viele Menschen schon einmal für eine andere Person die Schuld auf sich genommen haben. Solche freiwilligen falschen Geständnisse, die eine andere Person schützen sollen, scheinen größtenteils bei kleineren Vergehen oder Delikten vorzukommen. Hier schauen wir uns an, für wen Menschen die Schuld auf sich nehmen.
Unter freiwilligen falschen Geständnissen versteht man selbstbelastende Aussagen von unschuldigen Personen, die ohne Vernehmungsdruck der Polizei abgelegt werden. Zu den Motiven zählen unter anderem, den tatsächlichen Täter oder die Täterin schützen zu wollen. So gestand zum Beispiel der Schauspieler Günter Kaufmann 2001, einen befreundeten Steuerberater umgebracht zu haben, und wurde wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung mit Todesfolge zu 15 Jahren Haft verurteilt. Doch dann ergaben Hinweise aus dem Umfeld der wahren Täter, dass der Liebhaber von Kaufmanns Ehefrau die Tat zusammen mit zwei anderen Männern begangen und Kaufmanns Ehefrau den Mord in Auftrag gegeben hatte. Kaufmann hatte gestanden, um seine schwerkranke Ehefrau vor einer Haftstrafe zu bewahren. Nach ca. zwei Jahren Haft wurde er entlassen und freigesprochen (Otto, 2006). Diese Art freiwilliger falscher Geständnisse lässt sich nur schwer nachweisen, da beim Geständigen meistens keine Motivation vorliegt, die Falschaussage zu offenbaren. So war es auch im Fall Kaufmann: Das Geständnis wurde nicht durch ihn, sondern durch die Partnerin einer der wahren Täter aufgedeckt, die die entsprechenden Hinweise lieferte. Was bringt Menschen dazu, ein solches Geständnis abzulegen?
Ein wichtiger Faktor scheint die Beziehung zwischen der geständigen und der schuldigen Person zu sein. In einer experimentellen Studie hierzu sollten sich die Versuchspersonen vorstellen, von einem Familienmitglied, einer eng befreundeten Person oder einer nur bekannten gebeten zu werden, einen Punkt in Flensburg für sie zu übernehmen. Hierzu waren die Teilnehmenden eher bereit, wenn im Szenario ein Familienmitglied oder eine eng befreundete Person genannt wurde, verglichen mit Bekannten (Schneider et al., 2021). Auch Befragungen unter Studierenden legen nahe, dass die Beziehung zur schuldigen Person eine wichtige Rolle spielt: Zwei Drittel derjenigen, die schon einmal die Schuld für jemanden auf sich genommen hatte, taten dies für eine befreundete Person, die Partnerin oder den Partner (Willard et al., 2015). Meistens handelte es sich um Eingeständnisse zu kleineren Vergehen wie Schummeln, Störung des öffentlichen Friedens oder Diebstahl.
Befragungsstudien in Gefängnissen oder im Maßregelvollzug legen außerdem nahe, dass freiwillige falsche Geständnisse zum Schutz einer anderen Person mindestens genauso oft vorkommen wie vernehmungsbedingte, durch Polizeidruck hervorgerufene falsche Geständnisse. In einer deutschen Studie gaben 63% der Befragten, die schon einmal ein falsches Geständnis abgelegt hatten, an, dass sie die schuldige Person schützen wollten. Hingegen nannten nur 25% Befragungsdruck als Grund (Volbert et al., 2019). Es bleibt bisher jedoch offen, ob es nicht auch aufgrund einer Kombination von Befragungsdruck und dem Wunsch, eine andere Person zu schützen, zu falschen Geständnissen kommt.
Quellen:
Otto, H. D. (2006). Im Namen des Irrtums! Fehlurteile in Mordprozessen. München: Herbig.
Schneider, T., Sauerland, M., Merckelbach, H., Puschke, J., & Cohrs, J. C. (2021). Self-reported voluntary blame-taking: Kinship before friendship and no effect of incentives, Frontiers in Psychology, 12, Article 621960. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.621960
Volbert, R., May, L., Hausam, J., & Lau, S. (2019). Confessions and denials when guilty and innocent: Forensic patients’ self-reported behavior during police interviews. Frontiers in Psychiatry, 10, Article 168. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2019.00168
Willard, J., Madon, S., & Curran, T. (2015). Taking blame for other people’s misconduct. Behavioral Science and the Law, 33(6), 771–783. https://doi.org/10.1002/bsl.2164
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