Kognitive Beeinträchtigungen bei post-COVID: Lichtet sich der Nebel im Gehirn wieder?
Nicht bei allen Menschen verschwinden Symptome einer COVID-19 Erkrankung wieder vollständig. Bei einigen Menschen bleiben manche Symptome noch lange nach der akuten Krankheit erhalten. Diese berichten z.B. von „brain fog“, also einem „Gehirnnebel“, der die kognitive Leistungsfähigkeit einschränkt. Was wissen wir inzwischen über den Verlauf dieser kognitiven Symptome? Und gibt es vielleicht sogar schon Methoden, um den Betroffenen zu helfen?
Das post-COVID Syndrom bezeichnet das Phänomen, dass die Symptome von COVID-19 nach der akuten Erkrankung nicht vollständig wieder verschwinden, sondern noch mehrere Wochen und Monate bestehen können. Auch neue Symptome, die ebenfalls auf das post-COVID Syndrom zurückgeführt werden, können hinzukommen. Genau wie COVID-19 gilt auch post-COVID als multisystemische Erkrankung, es betrifft also verschiedene Organsysteme im Körper: Neben Atemwegsproblemen können sich Symptome z.B. auch als Hautausschläge oder anhaltend beschleunigten Puls zeigen. Zusätzlich können häufig auch kognitive Symptome auftreten: Betroffene erleben Schwierigkeiten mit der Aufmerksamkeit, ihrem Gedächtnis oder den sogenannten Exekutivfunktionen, die wir zum Planen und Ausführen von Handlungen brauchen, z.B. wenn wir im Alltag mehrere Dinge gleichzeitig tun wollen. Manche beschreiben diese Symptome auch als brain fog, (deutsch: „Gehirnnebel“), der das Denken erschwert, weil das Gehirn wie vernebelt oder in Watte verpackt sei. Als erste Berichte über diese Symptome veröffentlicht wurden, war es zunächst wichtig, die damit einhergehenden Defizite zu beschreiben und zu charakterisieren. Inzwischen stellt sich aber eine weitere wichtige Frage: Gibt es Aussicht auf Besserung für die Betroffenen?
Eine Studie aus Köln (Schild et al., 2024) führte eine ausführliche neuropsychologische Untersuchung bei Betroffenen mit post-COVID durch, die bereits seit mindestens drei Monaten anhaltende COVID-Symptome berichteten und bei sich selbst Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungen wahrnahmen. Wie solch eine neuropsychologische Untersuchung abläuft, wird in einem früheren InMind-Artikel zum Thema post-COVID beschrieben. Etwa sechs Monate nach der ersten Untersuchung, d.h. frühestens neun Monate nach der akuten COVID-19-Erkrankung, wurden die Personen dann erneut untersucht. Bei denjenigen, die zu Beginn kognitive Beeinträchtigungen gezeigt hatten, fanden die Forschenden im Vergleich leichte Verbesserungen in den Bereichen Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen. Zudem zeigte zwar fast ein Drittel der Untersuchten, die bei der ersten Untersuchung eine kognitive Beeinträchtigung zeigten, bei der zweiten Untersuchung etwa sechs Monate später keine kognitive Beeinträchtigung mehr. Allerdings gaben noch immer fast 90% der untersuchten Personen an, weiterhin selbst Einschränkungen der kognitiven Leistungen wahrzunehmen. Eine weitere Studie aus Barcelona untersuchte Menschen mit dem post-COVID Syndrom, die von kognitiven Beeinträchtigungen berichteten, sogar ca. 15 Monate nach der akuten COVID-19-Erkrankung. Auch diese Studie zeigte leichte Verbesserungen der kognitiven Leistungen in den Bereichen Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen (Grunden et al., 2024).
Inzwischen wissen wir zwar etwas mehr über den Verlauf kognitiver Symptome beim post-COVID Syndrom bis zu einem Jahr, allerdings fehlen uns wissenschaftliche Erkenntnisse über diesen Zeitraum hinaus. Aussagen über den Verlauf und weitere Auswirkungen von COVID-19 und post-COVID über sehr lange Zeit, z.B. ob sie das Risiko für eine Demenz erhöhen könnten, sind daher kaum zu treffen. Auch eine Aussage über die Entwicklung über fünf Jahre hinweg ist noch nicht möglich. Schließlich existiert das Virus erst seit ca. 5 Jahren und Forschungsprojekte und die anschließende Veröffentlichung der Ergebnisse benötigen viel Zeit.
Die Befunde der vorhandenen Studien machen also nur eingeschränkt Hoffnung: Zwar gibt es Betroffene, deren kognitive Symptome sich im Zeitraum bis zu einem Jahr wieder leicht verbessern, allerdings gibt es auch viele Betroffene, die noch keine Verbesserung erfahren. Es wird daher wichtig sein, die Studien fortzuführen, um besser zu verstehen, welche Faktoren zu Verbesserungen oder dem Anhalten der Symptome beitragen. Da die Symptome sich nicht bei allen Menschen im Laufe der Zeit von alleine verbessern, wird es außerdem wichtig sein, die Betroffenen mit Maßnahmen zu unterstützen, die schon bei anderen Erkrankungen eine gute Wirksamkeit gezeigt haben.
Um die kognitive Leistungsfähigkeit wieder zu verbessern bieten sich kognitive Trainings an, die bei Personen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen eine gute Wirksamkeit aufweisen (Zhang et al., 2019). Studien, die die Wirksamkeit von kognitiven Trainings speziell bei Menschen kognitiven Beeinträchtigungen im Rahmen des post-COVID Syndroms untersuchen, sind aktuell noch in Arbeit. Eine erste solche Studie wurde jedoch bereits als Preprint veröffentlicht, d.h. sie ist bereits einsehbar, wurde aber noch nicht von anderen unabhängigen Forschenden auf ihre wissenschaftliche Qualität geprüft. Diese Studie zeigt jedoch bereits vielversprechende Ergebnisse zur Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit durch ein kognitives Training bei Menschen mit dem post-COVID Syndrom (Ferizaj et al., 2024).
Zusammengefasst können wir also sagen: Für einige Menschen scheint sich der Nebel im Gehirn tatsächlich wieder etwas zu lichten, auch wenn er von den meisten noch immer wahrgenommen wird. Und auch wenn wir definitiv noch mehr Zeit und Forschung benötigen, gibt es zumindest erste Hinweise darauf, dass wir den Betroffenen durch kognitive Trainings helfen können, den Nebel im Gehirn noch ein Stück weiter zu vertreiben.
Literaturverzeichnis
Ferizaj, D., Stamm, O., Perotti, L., Finke, K., Martin, E. M., Ophey, A., … Heimann-Steinert, A. (2024). Effectiveness of a mobile cognitive training application on neuropsychological outcomes in individuals with mild cognitive impairment: a randomized controlled trial. Open Science Framework. https://doi.org/10.31219/osf.io/4f6rj
Grunden, N., Calabria, M., García-Sánchez, C., Pons, C., Arroyo, J. A., Gómez-Ansón, B., Del Carmen Estévez-García, M., Belvís, R., Morollón, N., Cordero-Carcedo, M., Mur, I., Pomar, V., & Domingo, P. (2024). Evolving trends in neuropsychological profiles of post COVID-19 condition: A 1-year follow-up in individuals with cognitive complaints. PLoS ONE, 19(8), e0302415. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0302415
Schild, A., Scharfenberg, D., Regorius, A., Klein, K., Kirchner, L., Yasemin, G., Lülling, J., Meiberth, D., Schweitzer, F., Fink, G. R., Jessen, F., Franke, C., Onur, O. A., Jost, S. T., Warnke, C., & Maier, F. (2024). Six-month follow-up of multidomain cognitive impairment in non-hospitalized individuals with post-COVID-19 syndrome. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience. https://doi.org/10.1007/s00406-024-01863-3
Zhang, H., Huntley, J., Bhome, R., Holmes, B., Cahill, J., Gould, R. L., Wang, H., Yu, X., & Howard, R. (2019). Effect of computerised cognitive training on cognitive outcomes in mild cognitive impairment: a systematic review and meta-analysis. BMJ Open, 9(8), e027062. https://doi.org/10.1136/bmjopen-2018-027062
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