„Luca wird voll von den anderen gemobbt!“ – Aber was ist Mobbing überhaupt?

Luca steht stellvertretend für all die Heranwachsenden, die in Deutschland gemobbt werden. Laut einer repräsentativen Studie sind dies immerhin 8% der Schülerinnen und Schüler im Alter von 11 bis 15 Jahren (Fischer et al., 2020). Durchschnittlich gibt es demnach in jeder Klasse weiterführender Schulen ein bis zwei Opfer von Mobbing. Doch handelt es sich wirklich immer um Mobbing, wenn dieser Begriff im Alltag oder in den Medien verwendet wird?

Nicht jede gemeine Bemerkung, Hänselei, Streitigkeit oder Prügelei kann als Mobbing bezeichnet werden. Mobbing ist eine Form aggressiven Verhaltens - eine Person wird also absichtlich verletzt. Wie bei Aggressionen im Allgemeinen kann diese Verletzung körperlich oder verbal erfolgen. Auch können die Angriffe sich gegen die sozialen Beziehungen oder den Ruf der Person richten. Die Ausgrenzung aus einer Gruppe sowie das Verbreiten boshafter Gerüchte stellen ebenso aggressive Handlungen dar wie Beleidigungen oder Handgreiflichkeiten. Um jedoch von Mobbing sprechen zu können, müssen zwei weitere Bedingungen erfüllt sein: Die Angriffe wiederholen sich über einen längeren Zeitraum und die Angriffe richten sich systematisch gegen die schwächeren Mitglieder einer Gruppe (Scheithauer et al., 2003). Dieses Machtgefälle zwischen TäterInnen und Opfern muss nicht unbedingt auf körperlicher Stärke oder einem Altersunterschied beruhen, sondern kann auch auf die Überzahl der TäterInnen, die unterlegene Position der Opfer in der Hierarchie oder mangelnde Selbstbehauptungsfähigkeiten zurückgehen. Entscheidend ist, dass sich das Opfer nicht effektiv zur Wehr setzen kann und sich den Attacken hilflos ausgeliefert fühlt (Scheithauer et al., 2003). 

mobbing metaphore

Der Begriff ‚Mobbing‘ kann in Zusammenhang gebracht werden mit dem englischen Verb (to) mob („bedrängen“, „angreifen“, „belagern“) oder dem Substantiv mob („Pöbel“, „Meute“, „Bande“). In der Fachliteratur wird das Phänomen häufig auch als Bullying bezeichnet, abgeleitet von der Wortfamilie des englischen Begriffs bully („brutaler Kerl“, „Tyrann“).  Ins Deutsche übersetzt heißt Bullying so viel wie „Schikanieren“ oder „Drangsalieren“, doch haben sich diese Begriffe weder alltagssprachlich noch fachsprachlich durchgesetzt. Egal, ob man von Mobbing oder Bullying spricht, sollte das Phänomen nicht als „Alle-gegen-eine(n)-Situation“ missverstanden werden, da das Ausmaß der Beteiligung daran zwischen verschiedenen Klassenmitgliedern sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann (Olweus, 2010). Andererseits sollte jedoch auch die Bedeutsamkeit der Gruppe für die Verfestigung aggressiver Verhaltensmuster gegenüber bestimmten Individuen nicht unterschätzt werden (Schäfer & Korn, 2004). 

Mobbing oder Bullying tritt nicht nur in der Schule und nicht nur unter Schülerinnen und Schülern auf. Mobbing kann auch bei Vorschulkindern, in Sportvereinen, in Kinder- und Jugendheimen, ja sogar Seniorenheimen, am Arbeitsplatz oder im Gefängnis vorkommen (Monks & Coyne, 2011). Gemeinsam ist diesen verschiedenen Settings, dass es sich um relativ stabile Gruppen handelt, die ein Individuum nicht ohne weiteres verlassen kann (Scheithauer et al., 2003). Eine Sonderstellung nimmt das sogenannte Cybermobbing, also Mobbing mittels digitaler Medien, ein. Hier ist es prinzipiell möglich, dass sich Mobbing anonym und zwischen einander Unbekannten abspielt. Die Forschung mit Jugendlichen hat jedoch gezeigt, dass ein Großteil der Opfer von Cybermobbing die TäterInnen aus dem persönlichen Umfeld kennt. Die allermeisten Opfer von Cybermobbing werden auch in analoger Form gemobbt (Waasdorp & Bradshaw, 2015).

Ob in der Schule, im Cyberspace oder auf der Arbeit – Mobbing kann sich negativ auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit auswirken. Opfer von Mobbing weisen vermehrt Stresssymptome auf, entwickeln mit einer höheren Wahrscheinlichkeit psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen, zeigen häufiger selbstverletzendes Verhalten und berichten einen allgemein schlechteren Gesundheitszustand und ein geringeres Wohlbefinden als nicht von Mobbing Betroffene (Moore et al., 2017; Verkuil et al., 2015).

Was bedeutet das alles nun für Luca? Wurde Luca nur heute in der Schule geärgert und wegen der neuen Brille aufgezogen, wäre es nicht angemessen von Mobbing zu sprechen. Ziehen sich Beleidigungen, Spott oder abfällige Bemerkungen jedoch über mehrere Wochen hin und kommen gegebenenfalls Ausgrenzung oder körperliche Angriffe dazu, handelt es sich um Mobbing. In diesem Fall kann sich Luca nicht aus eigener Kraft aus der Situation befreien. Hält das Mobbing an, ist die Wahrscheinlichkeit negativer Folgen wie psychosomatischer Beschwerden oder Leistungsabfälle hoch. Dementsprechend wichtig ist es, nicht wegzusehen, sondern gegen Mobbing aktiv zu werden.

 

Quellen:

Fischer, S. M., John, N., Melzer, W., Kaman, A., Winter, K. & Bilz, L. (2020). Mobbing und Cybermobbing bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Querschnittergebnisse der HBSC-Studie 2017/18 und Trends. https://doi.org/10.25646/6894

Monks, C. P. & Coyne, I. (Eds.). (2011). Bullying in different contexts. Cambridge: Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/CBO9780511921018

Moore, S. E., Norman, R. E., Suetani, S., Thomas, H. J., Sly, P. D. & Scott, J. G. (2017). Consequences of bullying victimization in childhood and adolescence: A systematic review and meta-analysis. World Journal of Psychiatry, 7(1), 60–76. https://doi.org/10.5498/wjp.v7.i1.60

Olweus, D. (2010). Understanding and researching bullying: Some critical issues. In S. R. Jimerson, S. M. Swearer & D. L. Espelage (Eds.), Handbook of bullying in schools. An international perspective (2nd ed., S. 9–33). New York: Routledge.

Schäfer, M. & Korn, S. (2004). Mobbing in der Schule. In D. Müller & H. Peter (Hrsg.), Kinderreport Deutschland 2004. Daten, Fakten, Hintergründe (Kinderreport Deutschland, Bd. 2.2004, S. 275–286). München: Kopaed.

Scheithauer, H., Hayer, T. & Petermann, F. (2003). Bullying unter Schülern. Erscheinungsformen, Risikobedingungen und Interventionskonzepte (Klinische Kinderpsychologie, Bd. 8). Göttingen, Bern: Hogrefe Verl. für Psychologie.

Verkuil, B., Atasayi, S. & Molendijk, M. L. (2015). Workplace Bullying and Mental Health: A Meta-Analysis on Cross-Sectional and Longitudinal Data. PloS One, 10(8), e0135225. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0135225

Waasdorp, T. E. & Bradshaw, C. P. (2015). The overlap between cyberbullying and traditional bullying. The Journal of Adolescent Health : Official Publication of the Society for Adolescent Medicine, 56(5), 483–488. https://doi.org/10.1016/j.jadohealth.2014.12.002

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