„Magst“ du noch oder „willst“ du schon?

Dopamin ist das Glückshormon?! Warum das ziemlicher Quatsch ist, erfährst du hier.

gummibearsMeine Kinder wollen ständig Süßkram und das nutze ich schamlos aus. Wenn sie den Tisch decken oder ihre Schuhe selbst anziehen, bekommen sie von mir ein Gummibärchen, damit dieses Verhalten positiv verstärkt wird. Das mache ich natürlich nur manchmal – intermittierende Verstärkung ist schließlich löschungsresistenter. Diese Form der Verhaltensformung haben die Psychologen Thorndike und Skinner unter den Stichworten instrumentelles Lernen oder operante Konditionierung schon vor fast 100 Jahren ausgiebig erforscht. Seit langem wissen wir auch, dass diese Form des Lernens maßgeblich durch spezialisierte Hirnnervenfasern ermöglicht wird, die den Botenstoff Dopamin ausschütten können. In frühen Untersuchungen wurden Ratten und teilweise sogar Menschen Stimulationselektroden in die Hirnregion eingepflanzt, aus denen die meisten dieser Fasern entstammen. Da diese Stimulation zu einem als „Glücksreaktion“ interpretiertem Verhalten führte, haben diese frühen Untersuchungen leider dazu beigetragen, dem Dopamin den Ruf des Glückshormons zu bescheren.

Im ersten Satz dieses Beitrags habe ich bewusst „Meine Kinder wollen“ und nicht „Meine Kinder mögen“, „präferieren“ oder gar „lieben Süßigkeiten“ geschrieben. Denn bereits 1989 haben Kent Berridge und Terry Robinson zeigen können, dass Dopaminrezeptoren nicht maßgeblich zum „Mögen“ beitragen, obwohl die beiden Forscher eigentlich das Gegenteil belegen wollten. Durch einen Eingriff in die Hirnchemie unterbanden sie die Funktion der dopaminergen Nervenfasern in ihren Versuchstieren – in der Hoffnung, das „Mögen“ ebenfalls zu unterbinden. Die Reaktion der Tiere überraschte die beiden jedoch, da sie angebotenes Zuckerwasser weiterhin „mochten“. („Mögen“ wird bei Ratten durch spezifisches Verhalten wie rhythmisches Lecken erkannt.) Weitere Untersuchungen zeigten, dass das „Mögen“ maßgeblich durch andere Rezeptoren vermittelt wird, u.a. Opioid- und Endocannabinoidrezeptoren. Außerdem konnte die Funktion von Dopaminrezeptoren für das motivationale „Wollen“ immer wieder bestätigt werden. Das bedeutet: „Wollen“ und „Mögen“ werden durch unterschiedliche Botenstoffe vermittelt und sind daher voneinander zu trennen. Und wenn wir PsychologInnen von „Belohnungslernen“ und „Verstärkung“ sprechen, meinen wir in der Regel das „Wollen“.

Warum ist das für den Alltag überhaupt wichtig, wenn das Ergebnis eine Beeinflussung des Verhaltens bleibt? Aus meiner Sicht ist die Unterscheidung zwischen „Wollen“ und „Mögen“ wichtig, wenn wir das Verhalten anderer oder unser eigenes bewerten. Substanzmissbrauch (ein feines Wort für ein Zuviel an Drogen, Alkohol oder Medikamenten) ist dafür ein gutes Beispiel. Der Substanzkonsum kann durchaus damit anfangen, dass die Wirkung der Substanz als angenehm empfunden, also „gemocht“ wird. Die Sucht entwickelt sich jedoch maßgeblich über die dopaminergen Nervenfasern, sodass es kurz- oder langfristig zu einem überwältigenden „Wollen“ der Substanz kommt, dem sogenannten Craving. Im Verlauf der Sucht „mögen“ Erkrankte die Substanz oft gar nicht mehr, „wollen“ sie aber. Das zeichnet doch ein anderes Bild und erklärt, warum es vielen – nicht nur Süchtigen – trotz erklärter Absicht schwerfällt, ihr Verhalten langfristig zu ändern.

Wie ist es denn nun mit den Süßigkeiten? Auch für Nahrung hat sich die Unterscheidung zwischen „Wollen“ und „Mögen“ durchgesetzt. Das kenne ich auch von mir selbst – ich „mag“ gar nicht die ganze Tüte Gummibärchen futtern, ich „will“ es aber schon. Das Dopamin ist schuld.

 

Quellen:

Berridge, K. C., & Robinson, T. E. (2016). Liking, wanting, and the incentive-sensitization theory of addiction. American Psychologist, 71(8), 670-679. doi:10.1037/amp0000059

Skinner, B. F. (1938). The behavior of organisms: An experimental analysis. Oxford, England: Appleton-Century.

Thorndike, E. L. (1913). Educational Psychology, Vol 2: The Psychology of Learning. New York: Teacher’s College Press.

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