Wenn der Arbeitsplatz auf der Kippe steht: Wie Angst um den Job und Gesundheit sich gegenseitig beeinflussen

Was passiert, wenn wir uns Sorgen um unseren Job machen müssen? Dass die Angst um den eigenen Job negative gesundheitliche Folgen haben kann, ist sicherlich jedem bewusst. Doch können gesundheitliche Probleme auch die Angst um den Job beeinflussen? Dieser Frage geht eine aktuelle arbeits- und organisationspsychologische Studie nach, die über einen Zeitraum von 2,5 Jahren über 1500 deutsche Arbeitnehmende monatlich nach ihrer Gesundheit und wahrgenommenen Angst um den Job befragt hat.

Was macht es mit Ihnen, wenn Sie in den Nachrichten hören, dass Unternehmen in Deutschland Stellen abbauen? In Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten gibt es immer wieder Unternehmen, die Standorte schließen oder anderweitig Stellen abbauen, um ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern. Dieser Stellenabbau geht für die Mitarbeitenden oftmals mit der Angst einher, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. In der arbeits- und organisationspsychologischen Forschung wird die Angst um den Job als. Arbeitsplatzunsicherheit bezeichnet und beschreibt das Empfinden einer Bedrohung für die Fortsetzung und Stabilität des derzeitigen Jobs (Shoss, 2017). Arbeitsplatzunsicherheit kann nicht nur psychisch belastend sein, sondern auch körperliche Folgen haben. Studien zeigen: Wer ständig Angst um seinen Arbeitsplatz hat, steht unter Stress. Dieser Stress kann die Gesundheit beeinträchtigen – psychisch und körperlich (z.B. De Witte et al., 2016).

Allerdings können gesundheitliche Probleme auch Auslöser von Arbeitsplatzunsicherheit sein. Menschen, die gesundheitliche Probleme haben, machen sich oft mehr Sorgen um ihre berufliche Zukunft. Zum Beispiel könnten Einschränkungen in der Arbeitsfähigkeit die Angst verstärken, den Job nicht mehr ausüben zu können (Leijten et al., 2014). Dieser Teufelskreis wird in der Forschung auch als "Stressor-Erzeugungshypothese" bezeichnet.

Eine neue Langzeitstudie von Rudolph und Kolleg:innen (2024) hat diese Zusammenhänge genauer untersucht. Über 2,5 Jahre hinweg wurden mehr als 1500 deutsche Beschäftigte jeden Monat zu ihrer Arbeitsplatzunsicherheit und ihrer Gesundheit befragt. Über den Befragungszeitraum nahmen die wahrgenommene Arbeitsplatzunsicherheit und körperliche Gesundheit der Befragten ab und die psychische Gesundheit zu. Dies kann zum Teil damit erklärt werden, dass die Befragung mit Beginn der Corona- Pandemie im April 2020 startete und im Dezember 2022 endete. So waren die erlebten Unsicherheiten zu Beginn der Pandemie größer, was zu mehr Ängsten bezüglich des Jobs und auch zu schlechterer psychischer Gesundheit beitrug, während diese Auswirkungen der Pandemie Ende 2022 abgeklungen sind.

Hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen Arbeitsplatzunsicherheit und Gesundheit zeigte sich, dass höhere Arbeitsplatzunsicherheit schlechtere psychische Gesundheit vorhersagte. Einschränkungen in der psychischen Gesundheit sagten wiederum Zunahmen in der Arbeitsplatzunsicherheit vorher. Dies unterstützt die Annahme, dass Arbeitsplatzunsicherheit nicht nur als ein Auslöser von gesundheitlichen Einschränkungen betrachtet werden kann, sondern auch deren Folge sein könnte. Bei körperlichen Beschwerden war der Zusammenhang jedoch einseitig: Sie führten zu mehr Arbeitsplatzunsicherheit, aber Arbeitsplatzunsicherheit beeinträchtigte die körperliche Gesundheit nicht direkt.

Die Autor:innen schlussfolgerten, dass Arbeitsplatzunsicherheit und körperliche sowie psychische Gesundheit sich gegenseitig über sogenannte Feedbackschleifen beeinflussen können. Dabei beobachteten Rudolph und Kolleg:innen (2024) auch, dass der Einfluss der Arbeitsplatzunsicherheit auf die psychische Gesundheit über die Zeit stärker wurde, was einem sich negativ verstärkenden Kreislauf entspricht.

Die Ergebnisse dieser Studie unterstützen somit sowohl die Annahme, dass Arbeitsplatzunsicherheit negative Folgen für die psychische Gesundheit von Arbeitnehmenden hat (z.B. De Witte et al., 2016), als auch Befunde, die zeigen, dass gesundheitliche Einschränkungen zu einer Zunahme in der Arbeitsplatzunsicherheit führen können (z.B. Leijten et al., 2014). Dadurch wird deutlich, dass der Zusammenhang zwischen Arbeitsplatzunsicherheit und Gesundheit komplex ist und auch eine wechselseitige Verstärkung über die Zeit beinhaltet. Für Arbeitnehmende und Unternehmen bedeutet das: Arbeitsplatzunsicherheit zu verringern und die Gesundheit der Mitarbeitenden zu fördern, ist entscheidend, um diesen Kreislauf zu durchbrechen.  Beispielsweise können Unternehmen ihren Angestellten Beschäftigungsgarantien geben, um so die Angst um den Arbeitsplatzverlust zu nehmen.

Literaturverzeichnis

De Witte, H., Pienaar, J., & De Cuyper, N. (2016). Review of 30 years of longitudinal studies on the association between job insecurity and health and well‐being: Is there causal evidence? Australian Psychologist, 51(1), 18–31. https://doi.org/10.1111/ap.12176

Leijten, F. R., van den Heuvel, S. G., Ybema, J. F., van der Beek, A. J., Robroek, S. J., & Burdorf, A. (2014). The influence of chronic health problems on work ability and productivity at work: A longitudinal study among older employees. Scandinavian Journal of Work, Environment & Health, 40(5), 473–482. https://doi.org/10.5271/sjweh.3444

Rudolph, C., Shoss, M. K., & Zacher, H. (2024). Dynamic and reciprocal relations between job insecurity and physical and mental health. Journal of Applied Psychology, in press. https://doi.org/0.1037/apl0001259

Shoss, M. K. (2017). Job insecurity: An integrative review and agenda for future research. Journal of Management, 43(6), 1911–1939. https://doi.org/10.1177/0149206317691574

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