Wer lange foltert wird endlich gut
Die Folterbilder von Abu Ghraib erschütterten die Welt. Wären die Menschen weniger erschüttert gewesen, wenn sie davon ausgegangen wären, dass Folter wie diese seit langem praktiziert wurde?
Vor fast zehn Jahren gingen die Bilder der Foltermethoden im Abu Ghraib Gefängnis durch die Presse. Sie lösten weltweit Entsetzen aus. Immer wieder wurde in den Medien die Frage gestellt, ob die eingesetzten Foltertechniken einzigartig für dieses Gefängnis waren oder aber ob Folter ein routiniertes Mittel der Kriegsführung ist.
Christian Crandall und sein Forscherteam widmeten sich der Frage, welche Auswirkungen die Darstellung der Methoden als neu oder traditionsbasiert für das Entsetzen über ihren Einsatz hat. Ausgangspunkt der Forschung stellten psychologische Studien dar, die belegen, dass Menschen gerne den Ist-Zustand beibehalten und Dinge, die auf eine lange Tradition zurück blicken, in der Regel als gut betrachten. Daraus leiteten die ForscherInnnen die Hypothese ab, dass Foltermethoden stärker befürwortet werden, wenn sie als seit langer Zeit gebräuchlich dargestellt werden.
Um diese Vermutung zu überprüfen, befragten sie eine repräsentative Stichprobe von US-AmerikanerIn bezüglich des Einsatzes von Foltermethoden im Nahen Osten. Vor Beantwortung der Fragen las eine Hälfte der Befragten einen Text, in dem die Foltermethoden als neuartig beschrieben wurden. Im Gegensatz dazu wurden die Methoden der anderen Hälfte der Befragten als seitvielen Jahren eingesetzt beschrieben. In der anschließenden Befragung zeigten sich deutliche Unterschiede in der Einstellung zu Folter: Wurden die Techniken als seit langer Zeit gebräuchlich dargestellt, war die Einstellung der Befragten zu Folter positiver als wenn sie als neuartig beschrieben wurden. Diese Unterschiede waren in vergleichbarer Größe wie Unterschiede in der Einstellung zu Folter zwischen Anhängern verschiedener politischer Einstellungen.
Die Ergebnisse liefern somit Hinweise darauf, dass die Befragten sich bei ihrer Beurteilung von Folter von Faustregeln wie „gibt es schon lange und ist daher gut“ beeinflussen lassen.
Quelle:
Crandall, C. S., Eidelmann, S., Skitka, L. J., & Morgan, G. S. (2009). Status quo framing increases support for torture. Social Influence, 4, 1-10.
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