Roboter im Gruselgraben: Warum uns menschenähnliche Maschinen oft unheimlich sind

Der Robotik wird für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre ein regelrechter Boom prognostiziert. Bereits heute sind robotische Hilfskräfte prototypisch in der Pflege, im Haushalt oder am Empfangspult im Einsatz. Manche davon sehen fast wie echte Menschen aus. Gerade diese sind uns oft aber am wenigsten geheuer. Warum wir allzu menschenähnliche Maschinen ablehnen, damit setzt sich seit kurzem die Forschung zum „Uncanny Valley“ – zum „unheimlichen Tal“ – auseinander. Der Artikel gibt einen Überblick über Thesen und erste empirische Befunde zum Gruselfaktor Roboter.

Da steht sie, aufrecht hinter der Kücheninsel, und wischt mit immer gleichen Bewegungen über die Arbeitsfläche. Das schwarze Haar fällt seidig übers Blusenkleid, der Porzellan-Teint scheint makellos. Eine asiatische Schönheit – wäre da nicht ihr seltsam starrer Blick. „Gute Nacht, Anita!“ winkt der Sohn der Familie, bevor die Tür zu seinem Zimmer zufällt. „Gute Nacht, Tobias“, erwidert Anita und legt ihr Putztuch beiseite. Den Haushalt hat sie für heute erledigt. Sie dreht das Licht ab und setzt sich auf den Stuhl, der an der Wand für sie bereitsteht. Mit einem Griff unter die linke Achsel zieht sie ein Stromkabel aus ihrem Brustkorb. Als sie es an die Steckdose anschließt, ertönt ein kurzer Piep. Anita schlägt die Augen zu. Sie lädt jetzt.

Anita ist ein hochentwickelter androider Roboter und als solcher eine der Hauptfiguren in Äkta Människor (Echte Menschen). Die schwedische TV-Serie aus dem Jahr 2012 bringt eine alternative Realität auf den Bildschirm, in der nahezu perfekte Kunstmenschen namens Hubots längst im Alltag vorstädtischer Reihenhaussiedlungen angekommen sind. Nahezu perfekt. Denn blinzeln tun sieAbbildung 1. Hiroshi Ishiguro (rechts) mit seinem robotischen Ebenbild Geminoid HI-1 zu Gast beim Ars Electronica Festival in Linz, Österreich. (Hiroshi Ishiguro (JP) von Ars Electronica via flickr (https://www.flickr.com/photos/arselectronica/9692375304/in/photolist-fLtXv3-fLtXwq-fMpAg5-7xudFP-8yh3Fr-8yh3uB-8xGwiH-fM7ZTF-d4a4CQ-d4a4SW-8yk6Hm-8xKsMf-8yk6EL-8yh2LM-fMpAk5-8yh2Xe-8yh2U4-8xKy9A-aimJ6J-fKYBDN-fEkXBq-fMpAjm-8xLuRY-9r1A1K-9pjqUU-8SNVWq-fKG1cg-8QvnUm-7xy2Rf-8Qvo1h-aimJcG-8QsgQM-7xy3Eu-8NE7dM-aimJ8m-8Qvo9q-aiiVgZ-aiiVja-aimJfE-aimJau-9punFV-qe9wyZ-a8XxRd-a8UH9F-a8XxGN-fLchoD-9nwakN-a8XxPw-8NE7bH-8NHcgo, no changes made), cc (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/) etwa nicht, die Hubots. Und gerade ältere Modelle erkennt man neben ihrem USB-Slot im Nacken auch an der allzu gestelzten Sprache und kantigen Motorik. Damit unterscheiden sich die Roboter aus dem Fernsehen gar nicht so stark von jenen Androiden, die derzeit bereits in Labors japanischer Robotiker entstehen. Nicht fiktiv, sondern als reale Prototypen mit Haut und Haar und Händen, deren Finger selbst im Standby-Modus ganz leicht vor sich hin vibrieren, um die natürlichen Mikrobewegungen von uns Menschen bestmöglich zu imitieren. Die sogenannten Geminoids, mit denen Androiden-Forscher Hiroshi Ishiguro ferngesteuerte Doppelgänger von sich selbst und anderen Personen geschaffen hat, sind ein anschauliches Beispiel dafür (Abb. 1 und 5).

Ist Ihnen nun etwasTelenoid von Ars Electronica via flickr (https://www.flickr.com/photos/arselectronica/5533880963/, no changes made), cc (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/) mulmig zumute? Gruselt‘s Ihnen beim Anblick der menschengleichen Maschinen gar? Dann sind Sie soeben wohl in das sogenannte „Uncanny Valley“ gefallen – ins Tal der unheimlichen Gefühle, die uns allzu lebensechte Kunstkreaturen oft bescheren. Doch keine Angst: Alleine sind Sie dort unten nicht! Ein kurzes Blättern durch die Nutzerkommentare, die man unter Online-Videos von menschenähnlichen Robotern findet, zeigt, dass Ablehnungstendenzen weit verbreitet sind. Unter den Reaktionen auf ein YouTube-Filmchen über den androiden Telenoid (Abb. 2) findet sich gar ein recht explizites „Burn it with fire!“.

Die „Uncanny Valley“-Hypothese

Beschrieben wurde das Phänomen des „Uncanny Valley“ (Unheimliches Tal) erstmals vom japanischen Robotiker Masahiro Mori (1970). Er skizzierte eine Kurve, die den von ihm angenommenen Zusammenhang zwischen der Menschenähnlichkeit künstlich erschaffener Figuren und der emotionalen Reaktion des Publikums reflektiert (Abb. 3). Moris Hypothese lautete dabei wie folgt: Solange wir uns im Spektrum einer generell niedrigen Menschenähnlichkeit befinden, haben wir mit der „Vermenschlichung" künstlicher Kreaturen noch kein Problem. Dem Cowboy Woody aus Pixars Animationsfilm Toy Story bringen wir eher unsere Sympathie entgegen als einem einfachen Strichmännchen. Ein Roboter mit angedeutetem Kopf- und Rumpfbereich – Typus R2-D2 etwa – führt zu positiverer Resonanz als ein industrieller Schwenkarm. Dieser Effekt verkehrt sich allerdings ins Gegenteil, sobald wir ein Level sehr hoher Menschenähnlichkeit erreichen. Hier, sagt Mori, sinkt unsere Akzeptanz im Sturzflug. Auf dem Maschine-Mensch-Kontinuum (Mori‘s x-Achse) beginnt nun jener schaurige Abschnitt, in dem die Konturen zwischen Leblosig- und Lebendigkeit verwischen: Wachsfiguren, Prothesen, Frankensteins Monster, Avatare, Androide – dem Menschen beinah zum Verwechseln ähnlich, aber eben doch nicht ganz richtig – landen hier bäuchlings im unheimlichen Tal und bringen unsere Nackenhaare in Aufruhr. Erst wenn uns eine Figur durch bravouröse Menschengleichheit vollends täuschen würde, könnte sie das Tal überspringen und damit wiederum hohe Akzeptanzwerte erreichen (Mori, 1970).

Die perfekte Simulation menschlicher Imperfektion – dahin muss man es erstmal schaffen. Und davor noch muss man erstmal dahin wollen.

Androide auf dem Weg in unseren Alltag?

Abbildung 3: Mit dem „Uncanny Valley“ hat Masahiro Mori im Jahr 1970 eine hypothetische Beziehung zwischen der Menschenähnlichkeit künstlicher Figuren und der emotionalen Resonanz durch RezipientInnen hergestellt. (Quelle: Mori Uncanny Valley de.svg by Tobias K. via wikimedia commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mori_Uncanny_Valley_de.svg, no changes were made), cc (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en)Als Stoff für Geschichten ist das Konzept des künstlichen Menschen ja schon lange hochbegehrt: Von frühen Golem-Mythen über die Literatur der Romantik (E.T.A. Hoffmann etwa) bis zur modernen Science Fiction – immer wieder wurden Ebenbilder unserer Spezies aus Lehm, Metall oder Computercode zumindest fiktional zum Leben erweckt. Angesichts schneller Entwicklung und steigender Zugänglichkeit robotischer Technologien könnte das, was wir aus Science Fiction kennen, in Industrienationen nun aber bald zum sozialen Faktum werden. Gerade im asiatischen Bereich werden derzeit hohe Fördersummen in die Realisierung von Assistenz-Robotern investiert, die in einigen Jahren am Markt reüssieren sollen. Eine möglichst menschenähnliche Gestalt wird dabei von manchen RobotikerInnen für besonders erstrebenswert erachtet. Einerseits, so lauten ihre Argumente, weil die Roboter künftig in für Menschenkörper geschaffenen Umgebungen agieren müssen, andererseits aber auch, weil Mensch und Maschine auf möglichst intuitive, natürliche Weise miteinander reden sollen (vgl. MacDorman & Ishiguro, 2006). Während erste Androide bereits auf Probe im Alltag eingesetzt werden – unter anderem als Empfangspersonal im Wissenschafts-Museum Miraikan in Tokio – widmen Roboter-ForscherInnen längst auch dem hypothetischen Konzept des Uncanny Valley enorme Aufmerksamkeit. Klar, denn im Gegensatz zur Kunst, die oft ganz bewusst mit dem provokativen Gehalt des Unheimlichen spielt, möchte man bei der Entwicklung von robotischen Assistenzkräften verschreckte NutzerInnen in der Regel vermeiden.

Erst vor kurzem hat nun auch die empirische Sozialforschung begonnen, sich für die Wahrnehmung und das Erleben menschenähnlicher Maschinen interessieren.

Historische Betrachtungen zur Unheimlichkeit

Bevor wir gleich näher auf einige wesentliche Forschungsergebnisse der jüngsten Vergangenheit eingehen, blättern wir den Kalender aber noch ein letztes Mal um gut 100 Jahre zurück. DAbbildung 4. Die Hände des Geminoid HI-1 sind erstaunlich realistisch. Doch gerade die kleinen Imperfektionen verstören uns besonders. (Fotocredit: Martina Mara)amals, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, haben nämlich schon einmal zwei Gelehrte einen psychologischen Blick auf das Grauen geworfen. Der erste war Ernst Jentsch. In seinem 1906 erschienenen Aufsatz „Zur Psychologie des Unheimlichen“ durchleuchtet er verschiedene Grusel-Ursachen. Er kommt dabei zu dem Schluss, dass es einen besonders starken Auslöser für Unheimlichkeit gäbe, und zwar „der Zweifel an der Beseelung eines anscheinend lebendigen Wesens und umgekehrt darüber, ob ein lebloser Gegenstand nicht etwa beseelt sei“ (Jentsch, 1906, S. 197). Jentsch geht noch weiter: Selbst dann, wenn man etwa über die Leblosigkeit einer „automatischen Figur“ bereits aufgeklärt sei, könne das Gefühl der Unheimlichkeit durch „halbbewusste secundäre Zweifel“ (S. 198) weiterhin erhalten bleiben. 1919 – ein Jahr bevor der tschechische Bühnenautor Karel Čapek erstmals das Wort „Roboter“ benutzte – veröffentlichte auch Sigmund Freud eine Abhandlung über „Das Unheimliche“. Darin beschreibt er all jenes als unheimlich, das dem Menschen zur gleichen Zeit vertraut und unvertraut ist. Mit seinen Beispielen knüpft der Vater der Psychoanalyse dabei an Jentsch an: Das „Schreckbild“ des Doppelgängers, der die Kopie einer vertrauten Person darstellt ohne sie wirklich zu sein, und das Objekt, das nur scheinbar mit „Menschengeistern“ erfüllt sei, landen auch auf Freuds Grusel-Rangliste weit oben (Freud, 1919).

Erste Forschungsbefunde zum Uncanny Valley

In den historischen Essays von Jentsch (1906), Freud (1919) und Mori (1970) finden wir Einverständnis darüber, dass allzu menschenähnliche Maschinen auf Ablehnung stoßen können. Diese theoretischen Annahmen spiegeln sich nun auch in ersten empirischen Forschungsergebnissen wider. Fotos des androiden Telenoid (Abb. 2) wurden von TeilnehmerInnen eines Online-Experiments beispielsweise als wesentlich unheimlicher eingestuft als Bilder anderer Roboter, die zwar ebenfalls Kopf, Rumpf und Arme besaßen, durch ihr eindeutig mechanisches Design aber weit weniger realistisch wirkten (Mara & Appel, 2015a). In einem Vergleich verschiedener Videoclips, die einen Bogen vom Staubsauger-Roboter bis zum androiden Kopf spannten, erzielten sehr menschenähnliche Roboter ebenfalls die höchsten Gruselwerte (Ho & MacDorman, 2010). Damit verwandte Studienreihen untersuchten die Wirkung von Gesichtern, die entweder als Foto einer realen Person, als computergenerierter Avatar oder als eine von vielen dazwischenliegenden Mischformen präsentiert wurden. Auch hier wurden die Hybrid-Bilder in der Regel am negativsten bewertet (Burleigh, Schoenherr & Lacroix, 2013; Yamada, Kawabe & Ihaya, 2013). Trotzdem muss aber festgehalten werden: Als gesichertes Phänomen darf die von Mori aufgestellte „Uncanny Valley“-Hypothese heute noch nicht gelten. Dafür mangelt es in diesem sehr jungen Forschungsfeld noch an weiteren strukturierten und vor allem gut miteinander vergleichbaren Studien. Insbesondere über die Prägnanz der beiden Kurven, mit denen Mori das unheimliche Tal ursprünglich umrissen hat (Abb. 3), herrscht noch Unklarheit. So könnte sich das „Valley“ aufgrund neuer Daten noch in ein Grübchen (Burleigh et al., 2013; Rosenthal-von der Pütten, Grabenhorst, Maderwald, Brand & Krämer, 2014) oder steiles Kliff (Bartneck, Kanda, Ishiguro & Hagita, 2007) wandeln.

Unheimlich ja, aber warum eigentlich?

Wie auch immer die Vermessung von Moris Kurven-Topografie ausgehen wird – fast noch spannender ist ja eigentlich die Frage, warum uns annähernd lebensechte Androide oft solch einen Schrecken einjagen. Was steckt dahinter? Auch dazu gibt es erste Forschungsergebnisse. Frühere Auseinandersetzungen mit dem Uncanny Valley verfolgten oft einen evolutionsbiologischen Ansatz. Demnach wären androide Roboter vor allem deswegen abstoßend, weil wir sie automatisch als unattraktive oder gar kranke Menschen ansehen. Dies könnte etwa passieren, wenn sie ihre Gliedmaßen zu steif bewegten oder weil das linke Auge nicht im Gleichtakt mit dem rechten zwinkert. Unbewusst kämen wir zum Schluss, dass dieser Roboter eine potenzielle Gefährdung für die eigene Gesundheit wäre. Schlimmer noch könnte uns der scheinbar „kranke“ Menschenklon unwillkürlich an die eigene Sterblichkeit erinnern ( Mortalitätssalienz) – und damit noch stärkere Abneigung in uns auslösen (vgl. MacDorman, 2005; MacDorman & Ishiguro, 2006).

Jüngere empirische Untersuchungen zu Wirkmechanismen hinter dem unheimlichen Tal docken vielmehr an Jentsch (1906) an, der die „psychische Unsicherheit“ als Hauptauslöser für Gruselgefühle beschrieb. So zeigen Studien, dass wir im Angesicht des Androiden in ein Schubladen-Dilemma geraten. Passt die Kreatur eher zur Kategorie Mensch oder zur Kategorie Maschine (Cheetham, Suter & Jäncke, 2011; Ramey, 2005; Yamada et al., 2013)? Was ist von ihr zu erwarten? Geht Bedrohung von ihr aus? Experimente deuten auf eine Verbindung zwischen Unsicherheit bei der kategorialen Einordnung menschenähnlicher Roboter und der Unheimlichkeits-Reaktion hin: Wenn Versuchspersonen mit digitalen Mensch- Avatar-Hybriden oder mit Videos androider Roboter – solchen, die zwar menschlich aussehen, sich aber mechanisch bewegen – konfrontiert waren, brauchten sie überdurchschnittlich lange dafür, zu entscheiden, ob es sich bei der gesehenen Figur um einen realen Menschen handelte oder nicht. Mittels bildgebender medizinischer Verfahren wie der Magnetresonanz-Tomographie konAbbildung 5. Unheimlich menschlich? Der Roboter iCub, entwickelt am italienischen IIT, ist einem Kleinkind nachempfunden und kann autonom Objekte greifen, am Boden krabbeln und mit Menschen interagieren. (Fotocredit: Martina Mara)nte während solcher Kategorisierungs-Aufgaben auch eine erhöhte Hirnaktivität im Gyrus fusiformis, der Amygdala oder der Inselrinde nachgewiesen werden – Hirnareale, die unter anderem mit Gesichtserkennung, Kategorien-Verarbeitung und Unsicherheit assoziiert werden (vgl. Cheetham et al., 2011; Rosenthal-von der Pütten et al., 2014; Saygin, Chaminade, Ishiguro, Driver & Frith, 2012). Je schwerer uns die Zuordnung einer solchen Figur in eine Kategorie fällt, je mehr Unsicherheit sie ins uns entfacht, desto unheimlicher wird sie dann auch empfunden (Burleigh et al., 2013; Ramey, 2005; Yamada et al., 2013). Und selbst wenn sich Versuchspersonen einmal für eine Zuordnung der „Mischkreatur“ entweder in die Kategorie „menschlich“ oder „nicht-menschlich“ entschieden hatten, blieb Skepsis über die Korrektheit der eigenen Entscheidung erhalten (Cheetham et al., 2011) – und damit wohl auch das, was Jentsch (1906) mit seinen „halbbewussten secundären Zweifel“ meinte: Wir wissen nun, es ist ein Computer. Doch regt sich im Augenschein des Androiden nicht auch ein kleiner Funke Geist?

Der gleiche Roboter ist nicht immer gleich unheimlich

Bis dato haben wir auf unserer Reise in den Gruselgraben die Gestalt des Roboters als alleinige Quelle der Unheimlichkeit betrachtet. Ursache-Wirkungs-Geflechte setzen sich meist aber aus vielen verschiedenen Fäden zusammen. Manche Menschen finden Androide beispielsweise grundsätzlich unheimlicher als andere. Das könnte mit ihrem Alter, ihrem kulturellen Hintergrund oder ihrer Liebe zur Technik zusammenhängen. Erste empirische Studien zum Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren auf das „Uncanny Valley“-Erleben deuten darauf hin, dass Menschen, die zu Perfektionismus oder Neurotizismus neigen, menschenähnliche Roboter als besonders unheimlich empfinden. Auch Personen, die sehr religiös sind oder unter Stress stehen, zeigen sensiblere Reaktionen (MacDorman & Entezari, 2015).

Neben solchen individuellen Unterschieden dürfen auch situative Aspekte nicht unterschätzt werden. Lernen wir eine neue Person kennen, kann unsere Sympathie von den Umständen der Begegnung abhängen oder eventuell auch davon, was wir über denjenigen zuvor schon im Web recherchiert haben. Ähnliche Aspekte beeinflussen auch unsere Wahrnehmung androider Roboter. Ein Feldexperiment konnte etwa zeigen, dass ein 5-Minuten-Gespräch mit dem Telenoid (Abb. 2) im Durchschnitt als weniger unheimlich empfunden wurde, wenn Personen davor eine kurze Science-Fiction-Geschichte gelesen hatten, in der Schilderungen zu Einsatz und Funktionsweise des Roboters Teil der Erzählung waren. Menschen, denen vor der Interaktion keine Information oder ein gleich langer, rein faktenbasierter Text zur Verfügung gestellt wurde, fanden den Telenoid deutlich schauriger (Mara & Appel, 2015b). Eine fiktionale Geschichte hat es hier geschafft, den Versuchspersonen die Roboterfigur auf intuitive Weise vertraut zu machen. Die bildhaften Szenen der Erzählung haben der Kreatur Bedeutung verliehen (vgl. auch Heine, Proulx & Vohs, 2006).

Wird ein vormals schauriges Objekt erst einmal als „bekannt-selbstverständlich“ wahrgenommen, ist es nicht mehr unheimlich, schrieb Jentsch (1906, S. 196). Könnte dieser Zustand der Vertrautheit auch durch schiere Gewöhnung ( Habituation) eintreten? Das würde bedeuten, dass es vielleicht nur eine Frage der Zeit ist, bis das unheimliche Tal überwunden wäre. Wenn wir uns erst mal an die Maschinenmenschen gewöhnt hätten, wenn unser Gehirn für die Kategorie „Android“ eine eigenständige Schublade parat hätte, dann würden wir uns vor den Robotern vielleicht gar nicht mehr so gruseln. Wie in der TV-Serie Echte Menschen könnten androide Haushaltshilfen dem Großvater dann Diätkost servieren oder unseren Kindern Märchen vorlesen, ohne dabei jemals zu ermüden. Masahiro Mori, der heute 87-jährige Erdenker des „Uncanny Valley“, hält davon jedoch nicht viel. Er empfiehlt Technik-DesignerInnen, auf der linken Seite des Tals zu verweilen – dort, wo Roboter wie Roboter aussehen (Kageki, 2012).

Wenn wir uns zum Schluss noch eine Kleinigkeit dazuwünschen dürfen, dann vielleicht einen deutlich sichtbaren Ausschaltknopf. Nur zur Sicherheit.

Literaturverzeichnis

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Rosenthal-von der Pütten, A. M., Grabenhorst, F., Maderwald, S., Brand, M. & Krämer, N. C. (2014, März). Uncanny valley related behavioral responses are driven by neural processes of face perception. Präsentiert bei der ACM/IEEE International Conference on Human-Robot Interaction, Bielefeld, Deutschland.

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Yamada, Y., Kawabe, T. & Ihaya, K. (2013). Categorization difficulty is associated with negative evaluation in the “uncanny valley” phenomenon. Japanese Psychological Research, 55, 20-32.

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