Eat, Work, Sleep, Repeat – Wie Home-Office unser Wohlbefinden beeinflussen kann und wer eher von Telearbeit profitiert
Bis zum Beginn der COVID-19- Pandemie verbrachten viele Arbeitnehmende einen großen Teil ihres Lebens im Büro. In vielen Branchen könnte dies nicht nur bis zum Ende der Pandemie, sondern auch später in der Zukunft weiterhin der Vergangenheit angehören. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick darauf, wie diese langfristige Veränderung unseres Arbeitsplatzes unser Wohlbefinden beeinflussen könnte.
Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (Hammermann & Voigtländer, 2020) arbeiteten vor Beginn der COVID-19- Pandemie 16,4 Millionen Menschen in Deutschland üblicherweise an einem Büroarbeitsplatz, was zum Zeitpunkt der Erhebung ca. einem Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung entsprach. Von allen Büroarbeitsplätzen könnten schätzungsweise 85% dauerhaft in die eigenen vier Wände der Arbeitnehmenden verlegt werden - ein Zustand, der aufgrund der Corona- Pandemie für viele bereits jetzt zum Alltag geworden ist und es möglicherweise auch bleiben könnte, falls Unternehmen zukünftig ihre Büroflächen zugunsten von Heimarbeitsplätzen verkleinern sollten. Home-Office bzw. Telearbeit ist ein recht junges Konzept, das durch die flächendeckende Verbreitung des Internets, des Computers und der zugehörigen Sicherheitstechnologien für viele Berufe, z.B. im Versicherungs- und Finanzwesen, erst möglich geworden ist. Aus diesem Grund sind die Auswirkungen der Veränderung unserer Arbeitswelt auf die Arbeitnehmenden und deren Gesundheit sowie Wohlbefinden bisher nur wenig erforscht.
Etwas Licht ins Dunkel brachten die Psychologin Amanda Anderson und ihre KollegInnen im Jahr 2015. Die Forschungsgruppe untersuchte, welche Personen im Hinblick auf ihr arbeitsbezogenes affektives Wohlbefinden (bzw. durch Aspekte des Berufs ausgelöste emotionale Reaktionen) von Telearbeit profitieren. Sie betrachteten nicht nur, wie sich Telearbeit auf die positive und negative Stimmung an einem Tag auswirkte, sondern auch, inwiefern dieser Zusammenhang von bestimmten weiteren Faktoren abhängig war, die sich zwischen den Teilnehmenden unterschieden. Insgesamt nahmen 102 US-amerikanische Bundesangestellte an der Studie teil, die sich über insgesamt vier Befragungen innerhalb von zwei Wochen erstreckte. Während dieser Zeit übte eine wechselnde Anzahl von Personen ihren Beruf entweder im Büro oder in Telearbeit aus. Es zeigte sich, dass die Arbeitnehmenden in Telearbeit durch ihre Tätigkeit positiver gestimmt waren und angaben, weniger negative Emotionen zu erleben. Allerdings zeigte sich ebenso, dass diese Zusammenhänge nicht für alle Personen gleich stark waren. Personen, die offener für neue Erfahrungen waren, erlebten einen höheren Zuwachs positiver Stimmung nach dem Wechsel in die Telearbeit. Personen, die generell eher dazu neigten, sich Sorgen zu machen, erlebten das Home-Office als weniger positiv. Sozial besser eingebettete Personen meldeten mehr positive und weniger negative Emotionen zurück. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit zeigen, dass uns die Aufforderung, sich in Telearbeit zu betätigen, nicht alle gleichermaßen beeinflusst. Mit Blick auf die Tätigkeit im Home-Office zeichnen sich generell positive Trends ab - allerdings profitieren vor allem offene und sozial gut eingebettete Menschen sowie solche, die weniger zu Sorgengedanken neigen.
Telearbeit geht allerdings nicht nur mit einem veränderten Arbeitsumfeld einher - eine weitere Perspektive stellen zusätzliche Möglichkeiten zur Zeiteinteilung dar. So bietet beispielsweise der Wegfall des täglichen Arbeitsweges eine Option zur Anpassung des Tagesablaufs, zum Beispiel des Schlafverhaltens. Die Auswirkungen dieser Flexibilisierung der Zeiteinteilung auf den Schlaf untersuchten Staller und Randler (2020) innerhalb der durch COVID-19 bedingten Umstellung auf Home-Office. Insgesamt nahmen 681 in Deutschland lebende Personen an der Studie teil. Es zeigte sich, dass die Teilnehmenden ihre Schlafgewohnheiten besser an ihre innere Uhr anpassen konnten, beispielsweise indem sie später zu Bett gingen und länger schliefen. Hiervon profitieren vor allem Personen, die ihre produktive Zeit in den Abendstunden haben und morgens tendenziell eher müde sind (vgl. Blogebeitrag Warum schicken wir todmüde Jugendliche in die Schule?). Auch Eltern mit Kindern schliefen häufig länger, was sich jedoch mutmaßlich auf die durch die Pandemie veränderte Situation der Familien zwischen Mai und Juni zurückführen lässt, in der nicht nur Eltern, sondern auch Kinder durch die temporäre Schließung der Schulen auf den Schulweg verzichten konnten.
Insgesamt scheint die bisherige Forschung darauf hinzudeuten, dass eine Flexibilisierung von Arbeitsort und -zeit zu einer Steigerung des Wohlbefindens beitragen kann. Allerdings sollten dabei die persönlichen Merkmale der Arbeitnehmenden im Blick behalten werden, um eine gute Balance zwischen Büro- und Telearbeit zu gewährleisten.
Quellen:
Anderson, A. J., Kaplan, S. A., & Vega, R. P. (2015). The impact of telework on emotional experience: When, and for whom, does telework improve daily affective well-being?. European Journal of Work and Organizational Psychology, 24(6), 882-897. https://doi.org/10.1080/1359432X.2014.966086
Hammermann, A., & Voigtländer, M. (2020). Bürobeschäftigte in Deutschland. IW-Trends-Vierteljahresschrift zur empirischen Wirtschaftsforschung, 47(3), 61-78.
Staller, N., & Randler, C. (2020). Changes in sleep schedule and chronotype due to COVID-19 restrictions and home office. Somnologie, 1-7. https://link.springer.com/article/10.1007/s11818-020-00277-2
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