Ein unwiderstehlicher Drang zu Knibbeln - Skin Picking als Erkrankung
Unser Hautzustand beeinflusst unser Wohlbefinden. Wenn das Bearbeiten der eigenen Haut überhandnimmt, spricht man von Dermatillomanie. Eine Erkrankung, die ab 2022 im europäischen Raum als Diagnose eingeführt werden wird. Skin Picking kann psychotherapeutisch behandelt werden.
Die Haut umgrenzt unseren Körper. Sie erfüllt wichtige Funktionen – von der Abwehr schädlicher Substanzen bis hin zur Wärmeregulation. Unsere Gefühle „gehen uns unter die Haut“: Wir bekommen Gänsehaut und finden so manches „zum Aus-der-Haut-Fahren“. Sorgen wir für unseren Körper mit einer wohltuenden Dusche, fühlen wir uns besser und können uns dabei entspannen. Hautpflege fördert unser Wohlbefinden. Das ist ein Grund, wieso sich Tiere in Stresssituationen verstärkt putzen und dabei Stress abbauen (Feusner, Hembacher & Phillips, 2009).
Der Wunsch nach reiner Haut ist in unserer Gesellschaft sehr groß, wie man auf jedem sorgfältig mit Photoshop bearbeitetem Werbeplakat sehen kann. Jugendliche und Erwachsene empfinden Akne als unansehnlich und wollen Hautunreinheiten möglichst effektiv loswerden. Einen eitrigen Pickel auszudrücken, ist etwas sehr Befriedigendes. Wird die Haut jedoch häufig und intensiv bearbeitet, können Wunden nicht heilen und Narben entstehen. Für manche hat das Drücken und Quetschen der eigenen Haut ein so starkes Ausmaß angenommen, dass sie damit nicht mehr aufhören können. Sie leiden unter dem unwiderstehlichen Drang, ihre Haut zu bearbeiten, obwohl sie wissen, dass sie der Haut damit Schaden zufügen. Diese Erkrankung wird umgangssprachlich „Skin Picking“ genannt. Offiziell als Dermatillomanie bezeichnet, wird Skin Picking 2022 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Diagnose eingeführt werden.
Bisher liegen nur wenige Behandlungsstudien für Skin Picking vor. In einer Metaanalyse wurden elf Studien miteinander verglichen: In allen Gruppen verbesserte sich die Symptomatik über den beobachteten Zeitraum. Verhaltenstherapie zeigte jedoch eine höhere Wirksamkeit im Vergleich zur Warte- Kontrollgruppe. Zu den Therapiebausteinen gehörten ein Selbstbeobachtungstraining mit Psychoedukation, Strategien gegen das Knibbeln (z. B. Training zur Gewohnheitsumkehr; engl.: Habit Reversal Training) und Rückfallprophylaxe (Shumer, Bartley & Bloch, 2016).
Betroffene sollen erfahren, dass es für ihr Problem einen Namen gibt und diese Erkrankung psychotherapeutisch behandelt werden kann. Wir möchten von Skin Picking Betroffene ermutigen, sich Hilfe zu suchen, auch wenn sie sich für ihr Verhalten sehr schämen. Es gibt in Deutschland ein wachsendes Netzwerk an Selbsthilfegruppen. An der Universität zu Köln erforschen wir Skin Picking. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage: www.knibbelstopp.de
Ein Beitrag von Linda Mehrmann
Quellen:
Feusner, J. D., Hembacher, E., & Phillips, K. A. (2009). The Mouse Who Couldn't Stop Washing: Pathologic Grooming in Animals and Humans. Cns Spectrums, 14(9), 503-513. doi:10.1017/S109285290002356
Shumer, M. C., Bartley, C. A., & Bloch, M. H. (2016). Systematic review of pharmacological and behavioral treatments for skin picking disorder. Journal of Clinical Psychopharmacology, 36(2), 147-152. doi:10.1097/Jcp.0000000000000462
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