Spiegelneurone: Was ist dran am menschlichen Wunderwerkzeug?
Spiegelneurone galten einst als Wunderwerkzeug des menschlichen Gehirns. Was ist von der anfänglichen Euphorie übriggeblieben?
Alles Begann im Jahr 1996 als das italienische Forscherteam um Giacomo Rizzolattian Schimpansen untersuchte, wie Handlungen im Gehirn geplant und umgesetzt werden. Dabei machten die Forscher eine bemerkenswerte Entdeckung, die die nächsten Jahre enorm prägen sollte. Als die Forscher einem Affen eine Nuss gaben und dieser danach griff, feuerten dieselben Nervenzellen, wie wenn der Affe nur beobachtete, wie ein Forscher nach der Nuss griff.
Als Marco Iacobiniund sein Team (2005; siehe auch Iacobini, 1999) ähnliche Vorgänge mit funktioneller Magnetresonanz ( fMRT) bei Menschen nachweisen konnten, überhäuften sich die Spekulationen. Immer mehr Forschung zu den neuen Wunderzellen wurde vorangetrieben und bald stellte sich heraus: Spiegelneuronen sind nicht nur bei einfachen Handlungen aktiv, sondern auch, wenn Menschen Emotionen beobachten. Damit schien bewiesen, dass die Spiegelneuronen eine zentrale Rolle spielen, wenn sich Menschen in andere Menschen hineinversetzen. Mehr noch. Das Wundermittel für alles – für Sprache, Kultur, und Frieden – schien gefunden. Alles konnte mit Spiegelneuronen erklärt werden.
Heute ist die Fachwelt nicht mehr ganz so euphorisch. Mittlerweile spricht man nicht mehr von einzelnen Spiegelneuronen, sondern eher von einem Spiegelneuronen-Netzwerk: Einem Netzwerk von Gehirnregionen, die gleichermaßen aktiv sind, wenn Menschen eine Handlung durchführen oder sie nur beobachten. Trotz massiver Kritik an der ursprünglichen Euphorie gilt es mittlerweile als bestätigt, dass das Spiegelneuronen-Netzwerk eine zentrale Rolle in der Steuerung verschiedener psychologischer Prozesse spielt. So wissen wir heute, dass Imitation, Empathie, aber auch mentales Training durch die vermeintlichen Wunderzellen mitgesteuert werden. Dadurch trägt das Spiegelneuronen-Netzwerk einen Teil zum Verständnis bei, wie wir Menschen von anderen Menschen lernen und sie verstehen.
Quellen:
Iacoboni, M., Woods, R. P., Brass, M., Bekkering, H., Mazziotta, J. C., & Rizzolatti, G. (1999). Cortical mechanisms of human imitation. science, 286, 2526-2528.
Rizzolatti, G., Fadiga, L., Gallese, V., & Fogassi, L. (1996). Premotor cortex and the recognition of motor actions. Cognitive brain research, 3, 131-141.
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