Why are we creative?
Ich saß neulich im Kino: In „Why are we creative?“ erzählen Top-Stars wie David Bowie, Angelina Jolie oder Quentin Tarantino, warum sie Kreativität zu ihrem Beruf gemacht haben. Ich begann, mich zu fragen: Was ist eigentlich Kreativität? Und was treibt Menschen, die von Kreativität leben, an?
Was ist Kreativität? Meine Recherche beginnt beim Deutschen Duden, wo Kreativität als „schöpferische Kraft“ definiert wird (www.duden.de). Hier wird also der Prozess betont, der es dem-/derjenigen Kreativen ermöglicht, etwas zu erschaffen, was es vorher in dieser Form noch nicht gab. Ähnlich sah dies auch der Psychologe Guilford, der 1950 den Begriff der Kreativität in die Psychologie einführte. Er unterschied zwischen „konvergentem Denken“ ( Intelligenz) und „divergentem Denken“ ( Kreativität). Letzeres zeichne sich vor allem durch die Fähigkeit aus, flexibel zu denken, eine Vielzahl neuer, origineller Lösungen für Probleme zu produzieren und diese auch selbst ausarbeiten und somit umsetzen zu können (Guilford, 1967).
Diese Definition erinnert mich an David Bowies Kommentar im Film. Er beschreibt Kreativität als die Möglichkeit, fremde Welten zu erkunden, ohne die damit normalerweise einhergehende körperliche Bedrohung erfahren zu müssen - die Exploration von Gedankenwelten als Motivation, Musik als Mittel zur Umsetzung. Sind also Menschen kreativ, die eine besondere Motivation haben, unbekannte Welten (gedanklich oder real) zu ergründen, und zudem die Fähigkeit besitzen, diese Gedanken in Realitäten (Theorien, Musik, Texte, Gemälde) umzusetzen?
Es drängt sich die Frage auf, woher diese treibende Kraft stammt. Ist es ein Erhaltenbleiben des kindlichen Spieltriebs? Oder steckt noch etwas anderes dahinter? Für Siegmund Freud, Begründer der Psychoanalyse, ist Kreativität eine Möglichkeit, einen inneren Konflikt zu bewältigen. Für Freud ist Kreativität somit die Kompensation nicht erfüllter Bedürfnisse, entspringt also einem inneren Defizit. Dieser eher defizitorientierte Ansatz wurde und wird kontrovers diskutiert und von vielen WissenschaftlerInnen durch andere, positivere Theorien ersetzt oder ergänzt. Der Psychologe Maslow etwa unterscheidet zwischen „primärer Kreativität“ und "sekündärer Kreativität" - die primäre wird als unzensierte Assoziation unbewusster Prozesse verstanden und erlaube „wirkliche Neuheit“. Nach Maslow ist dies die Art der Kreativität, die auch Kinder zeigen (Maslow 1971). Die „sekundäre Kreativität“ hingegen sieht er als rationalen Prozess, der Wissen und Erfahrung nutzt und in geordnete Bahnen lenkt. Ziel ist es nach ihm, beide Formen zu integrieren und zwischen ihnen hin- und herschalten zu können. Dies könne dann Kreativität als Selbstverwirklichung erlauben, da unbewusste Assoziationen in geordnete Bahnen gelenkt würden. Maslow spricht hier von „gesunder Kindlichkeit“. Da spontane Assoziationen als Motor der Kreativität fungierten, sei dieser Prozess nicht in Gänze steuerbar und entspringe oft spontanen Gedanken oder Gefühlen, nicht immer reflektierten Gedankengängen. Somit kann Kreativität, wenn man dem Konzept von Maslow folgt, einen geradezu mystischen Charakter annehmen, da der Kreative den Prozess nicht im Gänze versteht.
Quentin Tarantino scheint, dies ähnlich zu empfinden. Er spricht im Film von Kreativität als etwas Gottgegebenem, einer Fähigkeit, von der er nicht sagen könne, woher sie komme. Ähnlich äußert sich George R.R. Martin, Autor von „Game of Thrones“. Auch er gab an, dass Geschichten und Charaktere zu ihm kämen, ohne dass er wisse, woher. Er würde sie nur aufschreiben und dabei inständig hoffen, dass diese Flut der Ideen nicht plötzlich abreiße. In diesem Falle nämlich würde er aufhören, zu schreiben.
Fast alle Befragten beschrieben den Prozess der Kreativität allerdings als etwas Lebensbestimmendes, die Erschaffung von Neuem als Triebkraft. Vielleicht ist die eingangs gestellte Frage („Was ist Kreativität?“) daher gar nicht die Entscheidende. Vielleicht ist es wichtiger, sich zu fragen, wie man Menschen mit kreativem Potential den Raum und die Möglichkeiten geben kann, diese Fähigkeit auszuleben. Nach Maslow zumindest ist das daraus folgende Glück und die daraus folgende gelebte Selbstverwirklichung durchaus die Mühe wert.
Quellen:
Guilford, J.P. (1967). The Nature of Human Intelligence. McGraw-Hill, New York.
Freud, S. (1910). Über Psychoanalyse. Fünf Vorlesungen, gehalten zur 20jährigen Gründungsfeier der Clark University in Worcester, Mass. September 1909. GW VIII, 1-60.
Maslow, A.H. (1971). The Farther Reaches of Human Nature. Viking Press, New York.
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