Kompliziertes Links-und-Rechts
Ob wir nun die linke oder die rechte Hand für eine Tätigkeit bevorzugen, hängt damit zusammen, ob wir Links- oder Rechtshänder*innen sind. Das lernen wir schon in der Schule, weil nicht alle mit derselben Hand schreiben und an manchen Tischen Ellenbogen aufeinander treffen. Aber was genau hat unsere Händigkeit mit Sprachprozessen im Gehirn zu tun?
Forschungsteams wissen schon seit längerer Zeit, dass unsere beiden Gehirnhälften sich ihre Arbeit aufteilen und für bestimmte kognitive Funktionen jeweils unterschiedlich dominante Rollen übernehmen. Dies nennt sich Lateralität und das beste Beispiel dafür ist die linke Gehirnhälfte, welche bei den meisten Menschen eine bedeutendere Rolle in Sprachprozessen spielt als die rechte Gehirnhälfte. Letztere wirkt zwar bei sehr bestimmten Funktionen mit (z.B. Interpretation von Metaphern oder Verständnis von Ironie) aber letztendlich ist es die linke Gehirnhälfte, welche die meiste Aktivität zeigt. Andererseits gibt es aber auch eine rare Gruppe von Menschen, bei denen die Dominanz für Sprachprozesse in der rechten Gehirnhälfte liegt und bei denen die linke Gehirnhälfte eine untergeordnete Rolle übernimmt.
Mit der Händigkeit läuft es genau andersherum: Während Linkshändige und Beidhändige etwa 10 % der Bevölkerung ausmachen, benutzen die restlichen 90 % bevorzugt ihre rechte Hand (Papadatou-Pastou et al., 2020). Das hat zwar auch kulturelle Gründe, aber diese erklären nicht alles. Da die rechte Hand von der linken Gehirnhälfte gesteuert wird und die linke Hand von der rechten Gehirnhälfte, bedeutet dies, dass bei Rechtshändigen die linke Gehirnhälfte für Motorik stärker ausgebildet ist. Warum genau dies der Fall ist und warum wir Menschen die einzige Spezies sind, die Dominanz für eine bestimmte Hand entwickelt hat, ist noch ungeklärt.
Ein Zusammenhang zwischen Händigkeit und Lateralität von Sprachfunktionen wurde schon länger vermutet und Forschende der Universität Münster sind dieser Spekulation nachgegangen (Knecht et al., 2000). Sie fanden heraus, dass bei Rechtshändigen eine Dominanz für Sprachprozesse in der rechten Gehirnhälfte nur bei etwa 4% vorkommt. Im Vergleich waren es etwa 15% bei Beidhändigen und 27% bei Linkshändigen. Es scheint also, dass Händigkeit und die dominante Gehirnhälfte für Sprache sich gegenseitig beeinflussen.
Und was heißt das jetzt genau? Ich würde mal sagen: Links und Rechts tu‘ ich immer noch verwechseln!
Quellen:
Knecht, S., Dräger, B., Deppe, M., Bobe, L., Lohmann, H., Flöel, A., Ringelstein, E.-B., & Henningsen, H. (2000). Handedness and hemispheric language dominance in healthy humans. Brain, 123(12), 2512-2518.
Papadatou-Pastou, M., Ntolka, E., Schmitz, J., Martin, M., Munafò, M. R., Ocklenburg, S., & Paracchini, S. (2020). Human handedness: A meta-analysis. Psychological Bulletin, 146(6), 481-524.
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