„Für mich bitte das Gleiche“: Wie uns andere bei der Essensauswahl beeinflussen

Vor dem Bestellen nachfragen, was die anderen essen werden. Auf die Frage des Kellners antworten mit „Für mich bitte das Gleiche“. Kennen Sie das? Was andere essen spielt für unser eigenes Verhalten - bewusst oder unbewusst - eine wichtige Rolle. Dieser Artikel erklärt, wann und warum das so ist.

Ob zu Hause oder in einem Restaurant, mit Freund*innen, der Familie oder Arbeitskolleg*innen: Essen findet häufig in einem sozialen Kontext - gemeinsam mit anderen - statt. Forschung hat gezeigt, dass wir durch das Essverhalten anderer beeinflusst werden und dazu tendieren, dieses nachzuahmen (Cruwys et al., 2015). Dabei ahmen wir nicht nur nach was wir essen (z.B. einen Salat vs. einen Burger), sondern insbesondere auch wie viel wir essen (eine kleine vs. große Portion). Forschende fanden beispielsweise heraus, dass Personen in einem Restaurant eher ein vegetarisches Gericht auswählen, wenn die Person vor ihnen in der Schlange auch ein vegetarisches Gericht bestellt (Christie & Chen, 2018). Weitere Studien konnten zeigen, dass Individuen mehr essen, wenn eine andere Person zeitgleich eine große (vs. kleine) Portion isst. Eine Übersichtsarbeit weist darauf hin, dass solche Nachahmungseffekte sehr gut belegt sind (Cruwys et al., 2015).

Wann ahmen wir das Essverhalten von anderen nach? Die Forschung hat gezeigt, dass Nachahmungstendenzen besonders stark ausgeprägt sind, wenn Personen Ähnlichkeiten aufweisen, also beispielsweise ähnlich alt sind oder einen ähnlichen kulturellen Hintergrund haben. Dies kann damit erklärt werden, dass das Verhalten der Eigengruppe für Menschen bedeutsamer ist als das Verhalten der Fremdgruppe. Außerdem ahmen wir andere Personen eher dann nach, wenn wir von ihnen gemocht werden und zu ihnen eine Verbindung herstellen möchten, beispielsweise, wenn wir uns in eine neue Freundesgruppe integrieren möchten (Cruwys et al., 2015). 

Aber warum ahmen wir Essverhalten überhaupt nach? Die Übersichtsarbeit von Curwys und Kolleg*Innen schlussfolgert, dass das insbesondere zwei Gründe hat. Erstens, um von anderen gemocht zu werden und soziale Beziehungen zu fördern. Und zweitens, um Unsicherheiten zu reduzieren und sich korrekt zu verhalten. Zu beobachten, was andere essen, gibt uns nämlich wichtige Informationen darüber, welches Essverhalten, wann, wie und in welcher Menge angemessen ist. Wir erhalten also Informationen über soziale Normen. Das kennen Sie möglicherweise aus dem Urlaub in einem fremden Land, wo Unsicherheiten größer ausgeprägt sind als zu Hause. Zu beobachten, was andere einkaufen, bestellen und essen ist hier besonders hilfreich.

Läuft die Nachahmung von Essverhalten bewusst oder unbewusst, also ganz automatisch, ab? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten und die beste Antwort lautet: Beides. Nachahmung findet eher bei Personen statt, die weniger impulsiv sind und ihr eigenes Verhalten besser beobachten können. Zudem geben Personen bewusst an, dass das Essverhalten anderer durch das soziale Umfeld beeinflusst wird. Andererseits wird der soziale Einfluss auf das eigene Essverhalten weniger anerkannt (siehe Third-Person-Effekt). Hinweise auf einen unbewussten Prozess zeigen sich auch darin, dass Nachahmung selbst dann stattfindet, wenn sich Personen parallel mit einer anderen Aufgabe beschäftigen, die ihre Aufmerksamkeit einnimmt (siehe Cruwys et al., 2015). Unter welchen Umständen und zu welchem Grad die Nachahmung von Essverhalten bewusst bzw. unbewusst abläuft, ist also noch nicht abschließend geklärt und muss in zukünftiger Forschung weiter untersucht werden.

Fest steht jedenfalls, dass Essverhalten durch andere beeinflusst wird. Und Interventionen machen sich dies zunutze, um positive Gesundheitseffekte zu erreichen. Im irischen Programm „Food Dudes“ wird beispielsweise in der Schule Kindern ein Video davon gezeigt, wie vier fiktive Kinder Obst und Gemüse essen. Kinder, die dieses Video sahen, aßen danach tatsächlich mehr Obst und Gemüse als Kinder, die kein solches Video angeschaut hatten (Horne et al., 2009).

Fazit: Wir tendieren dazu das Essverhalten von anderen Personen nachzuahmen, insbesondere, wenn wir diesen Personen ähnlich sind oder ihnen gefallen wollen. Gründe für Nachahmung können insbesondere der Aufbau sozialer Beziehungen und die Reduzierung von Unsicherheiten sein. Inwieweit die Nachahmung bewusst oder unbewusst abläuft, bedarf weiterer Forschung. Wenn Sie das nächste Mal in einer Gruppe essen, achten Sie gerne mal darauf, ob Sie soziale Nachahmung beobachten können!

Dieser Beitrag ist im Rahmen des EHPS UN Grants für Wissenschaftskommunikation entstanden. Der Beitrag wird in eine interaktive Mottowoche auf dem In-Mind Instagram Account eingebettet.

Literaturverzeichnis

Christie, C. D., & Chen, F. S. (2018). Vegetarian or meat? Food choice modeling of main dishes occurs outside of awareness. Appetite, 121, 50–54. https://doi.org/10.1016/j.appet.2017.10.036

Cruwys, T., Bevelander, K. E., & Hermans, R. C. J. (2015). Social modeling of eating: A review of when and why social influence affects food intake and choice. Appetite, 86, 3–18. https://doi.org/10.1016/j.appet.2014.08.035

Horne, P. J., Hardman, C. A., Lowe, C. F., Tapper, K., Le Noury, J., Madden, P., Patel, P., & Doody, M. (2009). Increasing parental provision and children’s consumption of lunchbox fruit and vegetables in Ireland: The Food Dudes intervention. European Journal of Clinical Nutrition, 63(5), Article 5. https://doi.org/10.1038/ejcn.2008.34

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