Die Corona-Krise verunsichert viele Menschen – was kann man dagegen tun? (Teil 2)

Die Corona-Krise hat in kurzer Zeit unseren Alltag erreicht und diesen stark verändert. In solch unsicheren Zeiten erleben viele Menschen Überforderung und persönlichen Kontrollverlust. Teil 1 dieses zweiteiligen Beitrags untersucht, inwiefern man einen positiven Umgang mit Problemen finden kann. Im vorliegenden Teil 2 geht es darum, wie wir durch sozialpsychologische Erkenntnisse mögliche negative Effekte unseres Handelns erkennen und abwenden können.

Die Corona-Krise hat in kurzer Zeit unseren Alltag erreicht und diesen stark verändert. In Rekordzeit müssen wir unser gewohntes Verhalten in vielen Bereichen des Lebens umstellen. Das wird zusätzlich dadurch erschwert, dass sich das „richtige“ Verhalten von Woche zu Woche (oder sogar von Tag zu Tag) ändern kann. Es bleibt ungewiss, wie sich die Situation weiterentwickeln wird. 

In solch unsicheren Zeiten erleben viele Menschen Überforderung und persönlichen Kontrollverlust. Mit Bewältigungsstrategien können wir einen positiven Umgang mit der gegenwärtigen Situation finden. Mit sozialpsychologischen Erkenntnissen können wir mögliche negative Effekte für unser Handeln erkennen und abwenden.

 

Teil 2: Negative Effekte des eigenen Handelns durch sozialpsychologische Erkenntnisse erkennen und verstehen

 

1. Glaubt nicht alles, was ihr lest, sondern prüft die Quelle!

In ihrem Versuch, Kontrollverlust emotional zu bewältigen, können Menschen auf verschiedene Weisen fehlgeleitet werden, wenn sie die Informationen nicht kritisch prüfen.

In ungewissen, neuen Situationen können Menschen Orientierung finden, indem sie das neue Phänomen mit bekannten Phänomenen vergleichen (Gilovich, 1981). So wurde Covid-19 mit der Grippe oder Ebola verglichen. Diese Analogien sind aber nicht immer zutreffend. Zum Beispiel gibt es zwar viele Gemeinsamkeiten zwischen der Grippe und Corona, aber es gibt ebenso bedeutsame Unterschiede (z.B. Impfmöglichkeiten). Analogien können damit zu einer Fehleinschätzung der momentanen Situation führen und gefährliche Konsequenzen nach sich ziehen (z.B. mangelnde Hygienemaßnahmen). Besser ist es, unser Handeln an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu COVID-19 auszurichten. 

Falschmeldungen und Gerüchte, die zum Beispiel Knoblauch eine Wunderwirkung zuschreiben, verstärken die Unsicherheit darüber, wie man sich richtig verhalten sollte, zusätzlich. Oftmals vertrauen wir dem Inhalt der Nachrichten, weil sie von FreundInnen oder Verwandten geschickt wurden. Laut Tobias Rothmund (2020), Professor für Medien- und Kommunikationspsychologie, liegt die Gefahr beim Teilen dieser Nachrichten darin, dass die Verbreitung schneller geschehe, als eine Prüfung oder Richtigstellung erfolgen könne. Es sei deshalb wichtig, die Glaubwürdigkeit der Quelle zu prüfen. Im Falle der Abwesenheit einer Quelle sollte lieber ganz auf die Weitergabe verzichtet werden. 

Noch mehr als sonst sollte man sich dieser Tage der Verantwortung bewusst sein, die man als SenderIn jeder Nachricht trägt.   

Schnell vermehren sich auch Verschwörungstheorien um das Corona-Virus, die hinter der Verbreitung des Virus die Machenschaften mächtiger AkteurInnen sehen. Die psychologischen Mechanismen dahinter werden in diesem In-Mind-Blog Das Coronavirus ist ein Nährboden für Verschwörungstheorien – das ist ein ernsthaftes Problem besprochen.

2. Verfallt nicht in Panik, sondern lernt die Nachrichten richtig zu deuten!

Steigende Zahlen von Todesfällen und Horrorszenarien aus Altersheimen sind Schlagzeilen, die Angst machen. Manche Menschen empfinden dabei ein regelrechtes Ohnmachtsgefühl oder geraten in einen nervösen Dauerzustand. 

Die Rezeption von Nachrichten war auch vor Corona einem Negativitätsbias oder Negativity Bias unterlegen (Rozin & Royzman, 2001). Dieser besagt, dass Menschen stärker auf negative als auf positive Nachrichten reagieren. Entsprechend erfahren Negativschlagzeilen mehr Aufmerksamkeit. Negative Nachrichten sind zu Recht Teil einer Pandemie. Bei Überforderung kann dem entgegengewirkt werden, indem man bewusst auch positive Nachrichten aufnimmt (wie z.B. die Zahl der Überlebenden). 

Ebenso wird das Verhalten Einzelner überrepräsentiert, besonders dann, wenn es von der Norm abweicht. Einzelne machen nur einen kleinen Prozentsatz der Bevölkerung aus, aber erhalten verhältnismäßig viel Raum in der Berichterstattung. Beispielsweise vermitteln die Berichte über Corona-Partys den Eindruck, dass dieses Verhalten häufiger auftrete als es tatsächlich der Fall ist. Das kann unsere Wahrnehmung deskriptiver Normen verzerren (siehe Abschnitt zu deskriptiven Normen in Teil 1). Die Reflektion darüber, dass es Ausnahmen sind, hilft uns, die Lage richtig einzuschätzen.    

Schließlich können Bilder von leeren Supermarktregalen eine Wahrnehmung von Knappheit erzeugen und Menschen dazu bringen, trotz  ausreichender Vorräte “Hamsterkäufe” zu tätigen (Corona-Krise: Warum tätigen Menschen Hamsterkäufe?). Während das Teilen solcher Bilder den Trend verstärkt, kann eine Vorratsplanung bei der realistischen Einschätzung des eigenen Bedarfs helfen (Ernährungsvorsorge des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft). 

3. Ihr seid keine Ausnahme, sondern Teil der Lösung!

Menschen können den Fehler machen, ihre eigene Verwundbarkeit hinsichtlich des Virus zu unterschätzen. Der sogenannte Optimism Bias, zu deutsch Optimistische Verzerrung (Sharot, 2011) kann dazu führen, dass Personen die Gefahren einer Corona-Infektion unterschätzen. Sie denken, dass sie sich selbst nicht infizierten oder bei Infektion keine ernsthaften Konsequenzen fürchten müssten. Dies fördert Leichtsinnigkeit und gegebenenfalls die Weitergabe des Virus an Mitglieder der Risiko-Gruppen.

4. COVID-19 kennt keine Gruppengrenzen, es bedroht alle Menschen. Zeigt euch solidarisch.

Angst und Bedrohung durch Krankheiten haben nicht nur Wirkung auf die oder den Einzelnen, sondern auch auf unsere Gesellschaft insgesamt. Wir sorgen uns um das Wohlergehen von Personen, mit denen wir uns verbunden fühlen. Nehmen wir eine Gefahr wie z.B. die Pandemie für unsere Gruppe wahr, führt das zu dem Bedürfnis, die eigene Gruppe schützen zu wollen. Wenn wir uns zum Beispiel stark mit unserer Nation identifizieren, kann eine Bedrohung von außen Ethnozentrismus begünstigen. Hierbei wird das Wohl der eigenen Nation über das anderer gestellt (Navarette & Fessler, 2006). So zum Beispiel, wenn der Präsident einer Nation einen Impfstoff nur für seine eigene Bevölkerung zugänglich machen möchte. Verstärkte Gruppengrenzen führen dazu, dass wir weniger Mitgefühl mit Menschen haben, die nicht Teil unserer Gruppe sind (Chikara, Bruneau, & Saxe, 2011).  COVID-19 kennt keine Gruppengrenzen, es bedroht alle Menschen. Solidarische Lösungen für die gesamte Menschheit (siehe Abschnitt zur Identifikation mit der gesamten Menschheit in Teil 1) sollten die Antwort sein. 

 

Quellen

Cikara, M., Bruneau, E. G. & Saxe, R. R (2011). Us and Them: Intergroup failures of empathy. Curr. Dir. Psychol. Sci., 20(3), 149–153.

Gilovich, T. (1981). Seeing the past in the present: The effect of associations to familiar events on judgments and decisions. Journal of Personality and Social Psychology, 40(5), 797.

Navarrete, C. D., & Fessler, D. M. (2006). Disease avoidance and ethnocentrism: The effects of disease vulnerability and disgust sensitivity on intergroup attitudes. Evolution and Human Behavior, 27(4), 270-282.

Rothmund, T. (2020, March 25). Menschen verbreiten Falschinformationen in der Regel nicht aus böser Absicht. Friedrich-Schiller-Universität. Abgerufen von https://www.uni-jena.de/200326_Rothmund_Interview.

Rozin, P., & Royzman, E. B. (2001). Negativity bias, negativity dominance, and contagion. Personality and Social Psychology Review, 5(4), 296-320.

Sharot, Tali (2011). The optimism bias. Current Biology, 21 (23), 941- 945.

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