LSD – von der Partydroge zum Schmerzmittel?

Wird sich Lysergsäurediethylamid, besser bekannt als LSD, in Zukunft in die Reihe der Medikamente gegen Schmerz einreihen? Eine aktuelle Studie gibt Hinweise darauf, dass LSD in sehr geringen Mengen schmerzlindernd wirken kann. Der Konsum von LSD birgt jedoch auch Risiken und die Forschung zum medizinischen Einsatz steckt noch in Kinderschuhen.

Spätestens nach der Opioid-Krise in den USA in den letzten Jahren wird klar, dass die Behandlung mit herkömmlichen Opioid-Schmerzmitteln überdacht werden muss. Die Zahl der Abhängigkeitserkrankungen und Todesfälle in Folge von Opioideinnahme haben sich massiv gehäuft. Jährlich sind es im Vergleich fast drei Mal so viele wie Anfang der 2000er-Jahre (Hedegaard et al., 2021). Dies liegt zum einen an der leichtfertigen Verschreibung der Schmerzmittel und zum anderen daran, dass Opioide schnell abhängig machen können. Deshalb wird an Alternativen zur Schmerzbehandlung geforscht; eine mögliche Perspektive bieten psychoaktive Substanzen.

Der Gedanke zum Einsatz von Psychedelika zur Schmerzlinderung ist nicht neu. In einer Studie aus dem Jahr 1964 nahmen 50 schwer erkrankte Patien*innen mit starken Schmerzen 100 Mikrogramm LSD ein – eine Menge, die bei den meisten Personen zu Bewusstseinsveränderungen führt. Zwei andere Patientengruppen nahmen klassische Schmerzmittel, in diesem Falle also Opioide, ein. Verglichen mit den Opioiden erzeugte LSD eine bemerkenswert stärker schmerzstillende Wirkung (Kast & Collins, 1964). Trotz dieser bedeutsamen Erkenntnisse gab es über die weiteren Jahrzehnte hierzu kaum weitere Forschung; nicht zuletzt, weil LSD Ende der 1960er-Jahre verboten wurde.

Erst aktuell wurde die Wirkung von LSD als Schmerzstiller erneut untersucht (Ramaekers et al., 2020). Im Gegensatz zur Studie von 1964 erhielten die 24 gesunden Teilnehmenden lediglich 20 Mikrogramm LSD und wurden mit Teilnehmenden verglichen, die ein Placebo erhielten. Eine Mikrodosis löst keine Halluzinationen aus, kann aber dennoch Wirkung zeigen und wird in letzter Zeit vermehrt genutzt, um beispielsweise die Produktivität zu steigern oder die Stimmung aufzuhellen. Dass Microdosing trotz des Hypes nicht unbedingt das richtige Mittel für den alltäglichen Gebrauch ist, zeigt der Blogartikel von Lukas A. Basedow (siehe "Friede, Freude, Microdose? Wie halluzinogene Drogen den Alltag erleichtern sollen"). Jedoch könnte Microdosing bei Patient*innen mit anhaltenden Schmerzen und neuropsychiatrischen Erkrankungen eine Chance zur Symptomlinderung darstellen. Diese Erkenntnis nutzte auch das Studienteam.

Um das Schmerzempfinden zu messen, wandten die Forschenden eine in der psychologischen Forschung weit verbreitete Methode an: Sie haben gemessen, wie lange die Teilnehmenden ihre Hände in drei Grad Celsius kaltes Wasser halten konnten. Diejenigen, die die Mikrodosis LSD eingenommen hatten, konnten ihre Hände im Durchschnitt rund 105 Sekunden im Wasser halten. Das war 20% länger als die Teilnehmenden, die das Placebo erhalten hatten. Außerdem nahmen die Teilnehmenden, die LSD eingenommen hatten, subjektiv weniger Schmerzen als die Placebogruppe wahr. Bei Dosen kleiner als 20 Mikrogramm fanden die Forscher jedoch keinen Unterschied zwischen den Gruppen. Die gefundenen Effekte waren vergleichbar mit der Wirkung herkömmlicher Schmerzmittel wie Oxycodon oder Morphin. Dies gibt Hinweise darauf, dass die Einnahme bestimmter Mengen LSD sowohl eine Schmerzlinderung hervorrufen, als auch das subjektive Schmerzgefühl verringern kann.

Der Vorteil von LSD als Schmerzmedikation liegt, konträr zu klassischen Schmerzmitteln, im verringerten Risiko zur Abhängigkeitsentwicklung, Überdosierung sowie problematischen Folgeerscheinungen (vgl. Kertesz & Gordon, 2019). Jedoch ist im Gegensatz zu klassischen Schmerzmitteln noch unklar, durch welche Mechanismen LSD schmerzstillend wirkt. Zudem darf nicht vergessen werden, dass LSD, genauso wie andere Halluzinogene, selbst in geringen Mengen Risiken birgt. Bei häufigem Konsum baut sich eine Toleranz auf, und es muss eine immer höhere Dosis eingenommen werden, um die gleiche Wirkung zu erzielen wie zuvor. Dies kann zu psychischer Abhängigkeit führen (Brown University, n.d.). Zudem berichteten die Teilnehmenden der Studie von Symptomen wie Angst, Amnesie, und Dissoziationserscheinungen. Auch wenn diese pharmakologischen Effekte um einiges geringer waren als bei anderen Halluzinogenen wie Ketamin oder Cannabis, ist mit der Einnahme nicht zu spaßen.

Aktuell gilt also: Bei Schmerzen lieber die Finger von Selbstmedikation lassen und unter enger Abstimmung mit medizinischem Fachpersonal zu herkömmlichen Schmerzmitteln greifen.

Literaturverzeichnis

Hedegaard, H., Miniño, A. M., Spencer, M. R., & Warner, M. (2021). Drug overdose deaths in the United States, 1999–2020. National Center for Health Statistics (U.S.)  https://doi.org/10.15620/cdc:112340

Brown University. (n.d.). Is LSD addictive? https://www.brown.edu/campus-life/health/services/promotion/content/lsd-...

Kast, E. C., & Collins, V. J. (1964). Study of lysergic acid diethylamide as an analgesic agent. Anesthesia and Analgesia, 43, 285–291.

Kertesz, S. G., & Gordon, A. J. (2019). A crisis of opioids and the limits of prescription control: United States. Addiction, 114(1), 169–180. https://doi.org/10.1111/add.14394

Ramaekers, J. G., Hutten, N., Mason, N. L., Dolder, P., Theunissen, E. L., Holze, F., Liechti, M. E., Feilding, A., & Kuypers, K. P. (2020). A low dose of lysergic acid diethylamide decreases pain perception in healthy volunteers. Journal of Psychopharmacology, 35(4), 398–405. https://doi.org/10.1177/0269881120940937