Friede, Freude, Microdose? Wie halluzinogene Drogen den Alltag erleichtern sollen
Halluzinogene Drogen in kleinsten Mengen zu nehmen, ist der neueste Schrei. Von dieser neuen Form der Selbstoptimierung, dem sogenannten „Microdosing“, erhoffen sich Menschen bessere mentale Leistung und weniger psychische Probleme. Doch was sagt die Forschung zu diesem Trend?
Halluzinogene Drogen („Psychedelika“, „Entheogene“) sind eine besondere Art von psychoaktiven Substanzen und beinhalten Stoffe wie LSD, Magic Mushrooms, Ayahuasca oder Meskalin. Wie der Name schon ausdrückt, rufen diese Substanzen visuelle und auditive Wahrnehmungsveränderungen hervor. Außerdem gehen mit dem Konsum oft Erfahrungen einher, die von Konsumierenden als mystisch, spirituell, ich-auflösend oder einfach sehr bedeutsam beschrieben werden. Diese Substanzen erfahren momentan hauptsächlich viel Aufmerksamkeit, da sie in der Lage zu sein scheinen, durch mystisch-bedeutsame Erfahrungen psychotherapeutische Behandlungen zu unterstützen.
Doch in den letzten Jahren hat sich eine neue Form des Halluzinogen-Konsums herauskristallisiert – das Microdosing. Bei dieser Praxis nimmt man nur einen Bruchteil (ca. 1/10) einer normalen Menge ein. Die Konsumierenden haben kein Interesse an Wahrnehmungsveränderungen, mystischen Erfahrungen oder sonstigen typischen Effekten, die ein Verfolgen des Alltags erschweren würden. Stattdessen verspricht man sich Effekte, die einem die Bewältigung des Alltags vereinfachen. Es wird von erhöhter Kreativität, erhöhter Arbeitsmotivation, erhöhter Produktivität, weniger Angst, weniger Nervosität und einer Verbesserung sozialer Fähigkeiten berichtet. Ein populäres Buch, das unter anderem beschreibt, wie jemand seine Ehe mit Microdosing rettet, trägt den Titel „Ein richtig guter Tag“. Wenn man den Konsumierenden Glauben schenkt, ist Microdosing also eine Möglichkeit, seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen, seine psychischen Probleme zu reduzieren und einfach besser durch den Tag zu kommen. Doch was sagt die Forschung zu diesem neuen Trend?
Da das Thema erst vor kurzem populär geworden ist (u.a. durch Artikel in der ZEIT, der Süddeutschen Zeitung oder dem FOCUS), gibt es noch nicht viele Studien, die sich intensiv damit beschäftigt haben. Es sind jedoch schon einige Umfragen veröffentlicht worden, welche eine gute Übersicht über die Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen von MicrodoserInnen geben. Es zeigt sich, dass die Leute, die „microdosen“, damit hauptsächlich positive Erfahrungen machen. Die meisten Konsumierenden berichten in systematischen Umfragen, dass sich unter dem Einfluss einer Microdose ihre Stimmung verbessert, ihre kognitiven Fähigkeiten steigen und sich ihre psychiatrischen Symptome verringern (Hutten et al., 2019; Polito & Stevenson, 2019).
In Ergänzung zu diesen Umfragen wurden 2019 die ersten beiden gezielten randomisierten, placebokontrollierten Microdosing-Studien veröffentlicht (Bershad et al., 2019; Yanakieva et al., 2019). Diese beiden Studien zeigen, dass LSD-Microdosing (im Vergleich zu einem Placebo) Leistungsfähigkeit, Kreativität, oder Stimmung nicht verbessert! Die Teilnehmenden berichten zwar, dass ihr Geisteszustand irgendwie verändert ist, aber anscheinend geht das nicht mit der erhofften Leistungssteigerung einher.
Es scheint also, dass Microdosing nicht das richtige Mittel ist, um Leistung bei der Arbeit gezielt zu erhöhen. Eine Frage bleibt jedoch noch offen: Inwiefern kann Microdosing Menschen helfen, die unter psychiatrischen Problemen leiden? Viele psychiatrischen Medikamente zeigen ihre Wirkung erst, wenn sie von Leuten genommen werden, die auch unter passenden Problemen leiden. Vielleicht ist es bei Microdosing ähnlich? Um herauszufinden, ob die angepriesenen Verbesserungen von psychiatrischen Symptomen wirklich eintreten, müssen die Effekte noch in PatientInnen untersucht werden.
Fürs Erste scheint die Idee, sich auf einfache (und noch illegale) Weise einen richtig guten Tag zu machen, aber an der Forschungsfront gescheitert. Für mehr Produktivität am Arbeitsplatz sollte man sich vielleicht lieber noch auf gesunden Schlaf oder einen starken Kaffee verlassen.
Quellen:
Bershad, A. K., Schepers, S. T., Bremmer, M. P., Lee, R., & de Wit, H. (2019). Acute subjective and behavioral effects of microdoses of lysergic acid diethylamide in healthy human volunteers. Biological Psychiatry. https://doi.org/10.1016/j.biopsych.2019.05.019
Hutten, N. R. P. W., Mason, N. L., Dolder, P. C., & Kuypers, K. P. C. (2019). Self-rated effectiveness of microdosing with psychedelics for mental and physical health problems among microdosers. Frontiers in Psychiatry, 10, 672. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2019.00672
Polito, V., & Stevenson, R. J. (2019). A systematic study of microdosing psychedelics. PLOS ONE, 14(2), e0211023. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0211023
Yanakieva, S., Polychroni, N., Family, N., Williams, L. T. J., Luke, D. P., & Terhune, D. B. (2019). The effects of microdose LSD on time perception: A randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Psychopharmacology, 236(4), 1159–1170. https://doi.org/10.1007/s00213-018-5119-x
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