Corona-Impfungen in Deutschland: Here we (almost) go…
Eine Impfung gegen das Coronavirus ist nun nach der Entwicklung des Impfstoffs und der Zulassung durch die EU-Kommission für die breite Bevölkerung in Deutschland möglich. Doch leider scheint die Bereitschaft der Deutschen, sich gegen das Virus impfen zu lassen, geringer ausgeprägt zu sein, als es notwendig wäre, um die nötige Herdenimmunität mittelfristig zu erreichen. Dabei scheinen vor allem Sorgen um mögliche Nebenwirkungen und Langzeitfolgen des Impfstoffs ursächlich für die Vertrauensprobleme zu sein. Aktuelle psychologische Forschung zeigt hierbei, dass Transparenz in der Kommunikation der wissenschaftlichen Hintergründe das Vertrauen in den Impfstoff stärken könnte.
Nach der erfolgreichen Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs gegen das Coronavirus durch die Mainzer Pharmafirma BioNTech (in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Unternehmen Pfizer) ist es nun in Deutschland möglich, sich gegen SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Großflächige Impfprogramme zum Schutz der Bevölkerung vor Corona-Infektionen laufen bereits seit einiger Zeit in China, Russland oder den USA. Als erstes europäisches Land impft Großbritannien seit dem 8. Dezember gegen Corona. Auch in Deutschland wurde die landesweite Impfaktion am 27.12.2020 gestartet – zunächst sind Risikogruppen und die ältere Bevölkerung an der Reihe (ZDF, 2021).
Doch leider scheint die Impfbereitschaft der Deutschen geringer ausgeprägt zu sein, als es Gesundheitsfachkräfte für nötig erachten, um die sogenannte Herdenimmunität (Schätzungen belaufen sich auf mindestens 60 – 70 % der Bevölkerung, die hierfür immun sein müssen) zu erreichen: Laut dem „COSMO COVID-19 Snapshot Monitoring“ der Uni Erfurt sind nur etwa 57 % der Deutschen (eher) bereit, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen (Stand: 30.12.2020; Universität Erfurt, 2020). Umfragen zur Impfbereitschaft unter ärztlichem Fachpersonal und Pflegekräften zeigen zudem, dass auch Berufs- und Bevölkerungsgruppen, die aufs Unmittelbarste täglich mit dem Virus zu tun haben, keine höhere Bereitschaft zeigen. Laut einer Erhebung der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin würden sich nämlich 27 % der ÄrztInnen und knapp 50 % der Pflegekräfte nicht gegen SARS-CoV-2 impfen lassen (Ärzteblatt, 2020). Mögliche Gründe hierfür scheinen beispielsweise Sorgen wegen möglicher Nebenwirkungen und Langzeitschäden der Impfung zu sein.
Grundsätzlich gilt es hier, zu wissen, dass – wie bei allen Impfmaßnahmen – die Risiken, die mit der Impfung einhergehen (z.B. Nebenwirkungen) deutlich unwahrscheinlicher sind als die Risiken, die entstehen, wenn sich Personen nicht impfen lassen (bspw. durch eine mögliche Infektion mit COVID-19 oder die Langzeitschäden, die durch eine solche Erkrankung entstehen können). Zentral zur weiteren Vertrauensbildung in den Impfstoff und die Impfprogramme könnte dabei Transparenz in der Kommunikation wissenschaftlicher Befunde zur Corona- Pandemie und der Hintergründe staatlicher Programme zu deren Eindämmung sein, wie aktuelle psychologische Forschung zeigt. So konnten Wegwarth, Wagner, Spies und Hertwig (2020) zeigen, dass die Deutschen eine offene und transparente Kommunikation auch unsicherer Aspekte der wissenschaftlichen Hintergründe der Corona- Pandemie bevorzugen. Die Teilnehmenden der Studie zeigten eine deutliche Präferenz für die Kommunikation von Prognosen zum weiteren Verlauf der Pandemie, die die Unsicherheiten der Vorhersage explizit deutlich machte. Im Vergleich dazu wurden die Darstellungen von Prognosen, die deutlich weniger auf die dazugehörigen Unsicherheiten eingingen, auch als deutlich weniger geeignet bewertet, die Bevölkerung über den Verlauf der Pandemie zu informieren. Außerdem empfanden die Teilnehmenden die Darstellungen von Prognosen, die zugehörige Unsicherheiten mitkommunizierten, auch als am geeignetsten, um die Bevölkerung zu motivieren, die gegenwärtigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu unterstützen.
Im Einklang damit zeigen die Daten des COSMO Monitoring (Universität Erfurt, 2020), dass umfassende Informations- und Aufklärungskampagnen als einzige Maßnahme zur Steigerung der Impfbereitschaft breite Akzeptanz erfahren. Eine mögliche Erklärung hierzu liefern die Befunde von Hendriks, Kienhues und Bromme (2016). Die Ergebnisse zeigen, dass Menschen es als aufschlussreich bezüglich möglicher Intentionen erachten, wenn Forschungsteams zu ihren wissenschaftlichen Befunden auch deren Einschränkungen und zugehörigen Unsicherheiten mitkommunizieren. Durch die Kommunikation potenzieller Schwachstellen oder Mängel der eigenen wissenschaftlichen Evidenz wird den Forschenden mehr Integrität und Wohlwollen zugeschrieben. Die Informierten scheinen dabei den Schluss zu ziehen, dass die Unsicherheiten kommuniziert werden, um die lesende Person bestmöglich zu informieren, und nicht, um sie von einer bestimmten Position zu überzeugen. Somit scheint eine umfassend offene und transparente Kommunikation der Hintergründe rund um die Impfung gegen SARS-CoV-2 angebracht zu sein, um das Vertrauen in die Maßnahme und die Impfbereitschaft der Deutschen zu stärken, gerade nachdem die Impfaktionen durch organisatorische Probleme und technische Mängel nur mit Verzögerungen angelaufen sind.
Quellen:
Ärzteblatt. (2020, 15. Dezember). Drei Viertel der Ärzte wollen sich gegen SARS-CoV-2 impfen lassen. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/119400/Drei-Viertel-der-Aerzte-wollen-sich-gegen-SARS-CoV-2-impfen-lassen
Universität Erfurt (2020, 22. Dezember). Zusammenfassung und Empfehlungen Welle 30. https://projekte.uni-erfurt.de/cosmo2020/web/summary/30/
Hendriks, F., Kienhues, D., & Bromme, R. (2016). Disclose your flaws! Admission positively affects the perceived trustworthiness of an expert science blogger. Studies in Communication Sciences, 16(2), 124-131. doi:10.1016/j.scoms.2016.10.003
Wegwarth, O., Wagner, G. G., Spies, C., & Hertwig, R. (2020). Assessment of German public attitudes toward health communications with varying degrees of scientific uncertainty regarding COVID-19. JAMA Network Open. https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2020.32335
ZDF. (2021, 09, Januar). Kritik am Impfstart - Wie kommt Europa mit dem Impfen voran? https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-impfstart-europa-100.html
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