Deutsche Schule? - Folgen populistischer Wahlplakate für die Schulleistung von Kindern mit Migrationshintergrund
Wahlplakate sind für Parteien ein zentrales Mittel, um zur Wahl zu mobilisieren. Dabei erreichen die bunten Plakate auch minderjährige Schülerinnen und Schüler auf ihrem Schulweg. Dies kann kritische Folgen haben, wie eine psychologische Studie aus Österreich zeigt.
In Wahlkämpfen verwenden populistische Parteien gerne Vereinfachungen im Bezug auf ethnische Minderheiten. Den Mitgliedern solcher Minderheiten wird auf Wahlplakaten eine Reihe negativer Eigenschaften zugeschrieben, beispielsweise eine verglichen mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft geringe Intelligenz. In der psychologischen Forschung wird in diesem Kontext von Stereotypisierung gesprochen. Die vereinfachten Inhalte von Wahlplakaten werden auch von Kindern aus den stereotypisierten Gruppen auf dem Schulweg wahrgenommen. Welche Folgen dies für die Leistung der Kinder haben kann, wurde in einem Laborexperiment in Österreich untersucht (Appel, 2012).
In diesem Experiment bearbeiteten Schülerinnen und Schüler einen Intelligenztest. Nachdem die Kinder den Test zur Hälfte abgeschlossen hatten, wurden Sie gebeten, als Zwischenaufgabe Werbung zu beurteilen. Dabei handelte es sich zum einen Teil um Produktwerbung und zum anderen Teil um Wahlplakate. Die Hälfte der Schülerinnen und Schüler sollte sich Wahlplakate ohne stereotypisierenden Inhalt ansehen. Die andere Hälfte wurde mit Plakaten einer rechtspopulistischen Partei konfrontiert, welche negative Aussagen über MigrantInnengruppen enthielten. Anschließend bearbeiteten alle Kinder den zweiten Teil des Intelligenztests. Die meisten Kinder konnten im zweiten Teil des Tests eine ähnliche Leistung wie im ersten Teil des Tests erbringen. Nur für eine Gruppe gab es Unterschiede: Kinder mit Migrationshintergrund schnitten im zweiten Teil des Testes schlechter ab als im ersten Teil, wenn sie vorher mit den rechtspopulistischen Wahlplakaten konfrontiert worden waren.
Eine mögliche Erklärung für diesen Befund ist, dass die Plakate bei den Kindern Angst ausgelöst hatten, Angst davor, dass das Testergebnis die ihnen zugeschriebenen Unzulänglichkeiten wiederspiegeln könnte. Eine solche Angst kann wiederum im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung dazu führen, dass betroffene Schülerinnen und Schüler nicht ihre bestmögliche Leistung abrufen können. Dieses Phänomen wird in der Literatur auch als „Bedrohung durch Stereotype“ (engl. Stereotype Threat) bezeichnet.
Populistische Parteien werden wegen psychologischer Studien nicht aufhören, hetzerische Plakate aufzuhängen. Im Unterricht lässt sich allerdings Abhilfe schaffen. So zeigen ältere Untersuchungen (Johns, Schmader & Martens, 2005), dass Menschen weniger unter der Bedrohung durch Stereotype leiden, wenn sie über die beschriebenen psychologischen Mechanismen aufgeklärt werden. Dies ist eine wichtige Verantwortung für Lehrkräfte, insbesondere - aber nicht nur - in Wahlzeiten.
Quellen:
Appel, M. (2012). Anti‐immigrant propaganda by radical right parties and the intellectual performance of adolescents. Political Psychology, 33, 483-493.
Johns, M., Schmader, T., & Martens, A. (2005). Knowing is half the battle: Teaching stereotype threat as a means of improving women's math performance. Psychological Science, 16, 175-179.
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