Wie soll man mit negativen Emotionen während der Corona-Pandemie umgehen?

Die Corona- Pandemie kann negative Emotionen auslösen, die Menschen und ihr Umfeld belasten. Strategien der Emotionsregulation können helfen, Konflikte in Beziehungen zu verringern oder mit Sorgen umzugehen.

Die Einschränkungen des öffentlichen und beruflichen Lebens durch COVID-19 stellen uns vor Herausforderungen. Aufgrund häuslicher Quarantäne oder Isolation kommt es vermehrt zu Konflikten und geringerer Zufriedenheit in Beziehungen, v.a. wenn sich die PartnerInnen nach mehr Zeit alleine sehnen (Hagemeyer, Schönbrodt, Neyer, Neberich, & Asendorpf, 2015). Gleichzeitig ist die Pandemie wirtschaftlich belastend, sodass sich viele Menschen um ihre Existenz sorgen. Psychologische Forschung zu Emotionen und der Regulation von Emotionen kann dazu beitragen, mit diesen Herausforderungen besser umzugehen.

Emotionen lassen sich in mehrere Schritte aufteilen (Scherer & Moors, 2019). Sie entstehen, wenn wir in eine Situation kommen, die für uns relevant ist. Anschließend lenken wir unsere Aufmerksamkeit auf wichtige Aspekte dieser Situation und bewerten, inwiefern die Situation uns hilft oder schadet. Diese Bewertungen verändern, wie wir fühlen und denken oder was wir tun wollen. Wenn beispielsweise mein/e PartnerIn ein wichtiges Skype-Meeting unterbricht, ist dies relevant für mein Ziel konzentriert zu arbeiten. Ich wende darauf meine Aufmerksamkeit und finde es ungerecht, unterbrochen zu werden, wo ich doch vorhin rücksichtsvoll war. Die Situation regt mich auf und ich weise meine/n PartnerIn zurecht, dass ich nicht gestört werden will. Diese Schritte beschreiben eine typische Situation von Ärger in der Beziehung, was oft schädlich ist (Lemay, Overall, & Clark, 2012).

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Emotionen lassen sich in jedem Schritt aktiv beeinflussen, was Emotionsregulation genannt wird (McRae & Gross, 2020). Eine effektive Strategie, mit negativen Emotionen umzugehen, ist die Neubewertung der Situation. Sie setzt beim Schritt der Bewertung an. Dabei wird versucht, die Situation anders zu betrachten als zuvor. Durch diese neue Perspektive verändert sich, was wir fühlen, denken oder tun wollen. Folglich hilft es, Situationen neu zu bewerten, um Emotionen in Zeiten der Corona- Pandemie zu regulieren.

Die Effektivität von Neubewertungen bestätigte sich in einer Studie von 2013, in der Paare aus Chicago trainiert wurden, eine Form der Neubewertung in Konflikten anzuwenden (Finkel, Slotter, Luchies, Walton, & Gross, 2013). Nach 12 Monaten in dieser Studie wurde die Hälfte der Paare angewiesen, zu Konflikten folgende Überlegungen anzustellen:

1. Nehmen Sie die Perspektive einer neutralen Person ein, die für Sie beide nur das Beste will und einen neutralen Standpunkt einnimmt. Was würde diese Person über den Konflikt und seine Folgen denken?

2. Viele finden es gut, aber schwierig, diese Perspektive einzunehmen. Was hindert Sie daran?

3. Obwohl es schwierig ist, können Menschen diese Perspektive einnehmen. Bemühen Sie sich in den folgenden Monaten dies zu tun. Fragen Sie sich, wie Sie dies schaffen können.

Andere Paare in einer Kontrollgruppe haben ausschließlich eine Schreibaufgabe absolviert. Es zeigte sich, dass die Paare in der Kontrollgruppe, wie in vielen Studien vorher gefunden, mit ihrer Beziehung über das folgende Jahr unglücklicher wurden. Bei Paaren in der Gruppe, die Neubewertungen anwendete, zeigte sich dieser Abfall nicht, weil diese Paare weniger negative Emotionen in Konflikten empfunden haben. Folglich kann Neubewertung dazu beitragen, Konflikte in Beziehungen während der Corona- Pandemie zu vermeiden

Auch bei anderen Emotionen kann Neubewertung helfen. Denn neben Ärger in Beziehungen sind viele Menschen beispielsweise zurzeit traurig, weil sie die Ausgangsbeschränkungen als Beschneidung ihrer Möglichkeiten bewerten, z. B. sich mit FreundInnen treffen zu können. Oder sie haben Angst, weil sie die Pandemie als Bedrohung ihrer Existenz sehen. Denny und Ochsner (2014) haben in einer Studie Versuchspersonen in einer Gruppe in mehreren Sitzungen trainiert, bei Bildern, die unterschiedliche negative Emotionen auslösen konnten, eine distanzierte, objektive, unvoreingenommene und wissenschaftliche Sichtweise einzunehmen und/oder sich vorzustellen, dass die Situation an einem anderen Ort oder vor langer Zeit passierte. Es zeigte sich, dass über die Sitzungen hinweg die negativen Emotionen bezüglich der Bilder abnahmen. Dies geschah auch bei Bildern, bei denen die Versuchspersonen vorher noch nicht trainiert hatten, ihre Emotion zu regulieren. In einer Kontrollgruppe ohne Training zeigten sich diese Effekte nicht. In einer weiteren Gruppe sollten sich Versuchspersonen eine Geschichte ausdenken, in der alles bald gut wird und Hilfe auf dem Weg ist und/oder sich auf einen Aspekt der Situation konzentrieren, der weniger schlimm ist. Diese Gruppe zeigte ebenso eine Verringerung negativer Emotionen, allerdings nicht bei Bildern, bei denen Versuchspersonen vorher noch nicht trainiert hatten.

Die Befunde der Studie von Denny und Ochsner bedeuten, eine distanzierte Perspektive einzunehmen kann helfen, mit negativen Emotionen während der Corona- Pandemie umzugehen und auch in Zukunft andere negative Emotionen besser zu regulieren. Sich die positiven Seiten der Quarantäne bewusst zu machen (z.B. die Möglichkeit, Dinge zu erledigen oder Kontakte zu reaktivieren), kann während der Isolation helfen. Der Umgang mit zukünftigen Herausforderungen wird davon allerdings nicht positiv beeinflusst.

Um mit negativen Emotionen in Zeiten der Corona- Pandemie besser zurecht zu kommen, können Sie also Strategien der Emotionsregulation anwenden. Es kann helfen, eine neutrale Position einzunehmen, in der Sie bessere Perspektiven für sich und andere durchdenken. Der Umgang mit Ihren Emotionen kann dazu beitragen, dass negative Emotionen in Ihrem Leben nicht Überhand nehmen.

Quellen

Denny, B. T., & Ochsner, K. N. (2014). Behavioral effects of longitudinal training in cognitive reappraisal. Emotion, 14, 425–433. http://doi.org/10.1037/a0035276

Finkel, E. J., Slotter, E. B., Luchies, L. B., Walton, G. M., & Gross, J. J. (2013). A brief intervention to promote conflict reappraisal preserves marital quality over time. Psychological Science, 24, 1595–1601. http://doi.org/10.1177/0956797612474938

Hagemeyer, B., Schönbrodt, F. D., Neyer, F. J., Neberich, W., & Asendorpf, J. B. (2015). When “together” means “too close”: Agency motives and relationship functioning in coresident and living-apart-together couples. Journal of Personality and Social Psychology. http://doi.org/10.1037/pspi0000031

Lemay, E. P., Overall, N. C., & Clark, M. S. (2012). Experiences and interpersonal consequences of hurt feelings and anger. Journal of Personality and Social Psychology, 103, 982–1006. http://doi.org/10.1037/a0030064

McRae, K., & Gross, J. J. (2020). Emotion regulation. Emotion, 20, 1–9. http://doi.org/10.1037/emo0000703

Scherer, K. R., & Moors, A. (2019). The emotion process: Event appraisal and component differentiation. Annual Review of Psychology, 70, 719–745. http://doi.org/10.1146/annurev-psych-122216-011854

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