Zusammenspiel im Belohnungssystem – Das Orchester der vier Glückshormone
Was macht wirklich glücklich – ein kurzer Dopaminkick oder tiefe, anhaltende Zufriedenheit? Serotonin, Dopamin, Oxytocin und Endorphine wirken zusammen, aber auch gegeneinander, wenn es um Belohnung, Motivation und soziale Bindung geht. Neurowissenschaftliche Forschung zeigt, wie diese Botenstoffe das Verhalten steuern – und warum ein ausgewogenes Zusammenspiel entscheidend für das Wohlbefinden ist.
Serotonin, Dopamin, Oxytocin und Endorphine sind Botenstoffe, also chemische Substanzen, die im Körper und Gehirn Nachrichten übertragen. Sie spielen eine zentrale Rolle dabei, wie wir uns fühlen, wie wir auf Belohnungen reagieren und wie wir mit anderen Menschen in Verbindung treten. Sie beeinflussen unsere Entscheidungen auf unterschiedliche Weise indem sie zusammen- oder gegeneinander arbeiten. Besonders bei der Verarbeitung von Belohnungen entscheiden Wechselwirkungen, ob wir kurzfristige Freude oder langfristige Zufriedenheit erleben. Diese Botenstoffe steuern unser Wohlbefinden und wie wir mit den Herausforderungen des Lebens umgehen.
Serotonin – Der „Stimmungsmacher“
Serotonin ist wie die Dirigentin eines Orchesters, während kognitive Funktionen die Instrumente sind. Serotonin sorgt dafür, dass die kognitiven Funktionen, die uns ermöglichen, die Welt wahrzunehmen, zu verstehen und mit ihr zu interagieren, harmonisch zusammenspielen. Es beeinflusst fast alle Aspekte unseres Lebens – von der Regulierung der Stimmung bis hin zur Steuerung des Schlafes und des Appetits (Boureau & Dayan, 2011).
Viele Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass ein ausgeglichener Serotoninspiegel wichtig dafür ist, dass unser 'inneres Orchester' nicht aus dem Takt gerät und sich Reizbarkeit, Angst oder Depression breit machen (Boureau & Dayan, 2011).
Dopamin – Der „Motivator“ und „Belohnungsbotenstoff“
Dopamin hingegen ist der Star-Solist, der mit dem Orchester spielt. Er steht im Rampenlicht, zieht Aufmerksamkeit auf sich und sorgt für spektakuläre Höhepunkte. Dopamin bringt Motivation und Belohnung – genau wie ein virtuoses Solo, das das Publikum begeistert und den Solisten zu Höchstleistungen antreibt. Wenn der Solist sein großes Solo spielt, reißt es das Publikum mit – genauso wie eine Dopaminausschüttung uns beim Genuss eines Schokoladenstücks oder dem Erreichen eines Ziels euphorisch fühlen lässt.
Dopamin selbst ist jedoch nicht die Belohnung, sondern es wird ausgeschüttet, wenn wir eine Belohnung erwarten, es ist quasi ein «Vorfreude-Botenstoff». Ausserdem treibt uns an, aktiv nach dieser Belohnung zu suchen. Sobald das Ziel erreicht ist, fällt der Dopaminspiegel ab und wir streben nach neuen Belohnungen.
Doch wenn der Solist nicht mehr ohne Applaus kann, beginnt er, das Orchester in Grund und Boden zu spielen – und genau so kann übermäßiges Streben nach Dopamin das Gleichgewicht stören. Statt sich auf die Harmonie des Gesamtwerks zu konzentrieren, jagt der Solist nur noch nach dem nächsten Höhepunkt, wodurch andere wichtige Melodien in den Hintergrund geraten. . Deshalb führen Dopamin-intensive Aktivitäten, wie Glücksspiel oder soziale Medien, zu wiederholtem Verhalten, selbst wenn die Belohnung nicht immer garantiert ist (Petersson & Uvnäs-Moberg, 2024).
Zusammenfassend kann man also sagen, Dopamin treibt den schnellen Genuss an, während Serotonin für langfristige Zufriedenheit sorgt. Ein Übermaß an Dopamin durch ständige Belohnungen kann die serotonerge Regulation schwächen, was zu Impulsivität und niedriger Frustrationstoleranz führen kann (Boureau & Dayan, 2011).
Oxytocin – Das „Bindungshormon“
Oxytocin können wir uns wie die tiefen Streichinstrumente, die Celli und Bässe, eines Orchesters vorstellen. Sie verleihen Tiefe, Verbundenheit und Wärme – genau wie Oxytocin soziale Bindung, Vertrauen und Geborgenheit stärkt. Die Ausschüttung erfolgt insbesondere bei sozialer Nähe, körperlichem Kontakt und positiven zwischenmenschlichen Interaktionen. Ohne Oxytocin würde dem Orchester die emotionale Ausdruckskraft fehlen.Oxytocin ist aber nicht nur das “Bindungshormon”, sondern reduziert auch Schmerzempfindlichkeit. Bei unseren Musiker:innen sorgt es eventuell dafür, dass ihnen die Finger nicht während des Konzerts zu schmerzen beginnen. Es hemmt die entsprechenden Signale im Gehirn und verstärkt die Wirkung von Endorphinen. Endorphine sind körpereigene Stoffe, die Schmerzen lindern und Glücksgefühle auslösen können. Besonders in sozialen Interaktionen kann es Schmerzen lindern und emotionale Belastung abfedern (Petersson & Uvnäs-Moberg, 2024).
Zusammenspiel mit anderen Akteur:innen des Orchesters
Oxytocin fördert Vertrauen und Bindung, während Serotonin für ruhige Zufriedenheit sorgt. Zusammen stärken sie das Gefühl von sozialer Integration und emotionalem Gleichgewicht (Boureau & Dayan, 2011). Sie stimmen sich aufeinander ab – so wie Dirigentin und die Streicher im Orchester.
Kommt Dopamin hinzu, also der Solist, werden zusätzlich soziale Belohnungen verstärkt. Wenn mehr Oxytocin im Spiel ist, wird das dopaminerge System angeregt. Dies führt dazu, dass unterstützendes Verhalten gefördert wird (Petersson & Uvnäs-Moberg, 2024).
Endorphine – Die „Schmerzlinderer“
Endorphine sind die Holzblasinstrumente im Orchester. Sie sorgen für Wohlklang und trägt zur Entspannung bei. Endorphine wirken ähnlich: Sie dämpfen Schmerz, erzeugen Wohlbefinden und lassen alles sanfter erscheinen – genau wie die sanften Töne der Holzbläser nach einer dramatischen Passage. Endorphine sind körpereigene Opioide, die Schmerzsignale im Rückenmark und Gehirn blockieren. Ähnlich wie Morphin, jedoch ohne Nebenwirkungen. Besonders bei intensiver körperlicher Aktivität, wie beim "Runner’s High", steigt die Endorphinausschüttung (Powers et al., 2020).
Zusammenspiel mit anderen Akteur:innen des Orchesters
Endorphine verstärken soziale Nähe und dämpfen Stress, besonders in engen Beziehungen, etwa durch gemeinsames Lachen oder Sport (Powers et al., 2020). Dopamin motiviert uns zu Zielen, während Endorphine uns nach der Anstrengung belohnen. Zusammen schaffen sie ein Gleichgewicht von Motivation und Belohnung. Nach körperlicher Betätigung kann die durch Endorphine erzeugte Euphorie die dopaminerge Motivation verstärken, erneut aktiv zu werden, was langfristig positive psychische Effekte fördert (Powers et al., 2020).
Zusammenfassung: Kooperation und Wettbewerb im Belohnungssystem
Die vier Glückshormone arbeiten zusammen und konkurrieren gleichzeitig. Dopamin treibt uns zu schnellen Belohnungen, während Endorphine nach intensiven Erlebnissen beruhigen. Serotonin und Oxytocin fördern langfristiges Wohlbefinden. Dopamin fördert kurzfristige Befriedigung, während Serotonin Geduld und das große Ganze betont. Dopamin und Serotonin konkurrieren um die Verhaltenskontrolle, während Oxytocin die soziale Bindung verstärkt und Endorphine die Schmerzmodulation unterstützen. Ein gelungenes Zusammenspiel dieser Hormone ist entscheidend dafür, dass das Orchester langfristig harmonisch zusammenspielen kann – für Motivation, Zufriedenheit, Bindung und Wohlbefinden.
Literaturverzeichnis
Boureau, YL., Dayan, P. (2011). Opponency Revisited: Competition and Cooperation Between Dopamine and Serotonin. Neuropsychopharmacol 36, 74–97. https://doi.org/10.1038/npp.2010.151
Petersson, M., & Uvnäs-Moberg, K. (2024). Interactions of Oxytocin and Dopamine—Effects on Behavior in Health and Disease. Biomedicines, 12(11), 2440. https://doi.org/10.3390/biomedicines12112440
Powers, S. K., Deminice, R., Ozdemir, M., Yoshihara, T., Bomkamp, M. P., & Hyatt, H. (2020). Exercise-induced oxidative stress: Friend or foe?. Journal of sport and health science, 9(5), 415–425. https://doi.org/10.1016/j.jshs.2020.04.001
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